Gescheiterte ERP-Einführung: ScanSource verklagt Avanade

Der Hardware-Distributor ScanSource hat das Joint Venture von Microsoft und Accenture verklagt, da die Einführung von Microsofts ERP-System AX teurer als vereinbart und nach drei Jahren noch nicht abgeschlossen sei.

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Von
  • Christian Kirsch

Vor dem US-Bundesbezirksgericht in North Georgia hat der international agierende Hardware-Distributor ScanSource die Beratungsfirma Avanade verklagt (1:13-cv-00001-AT). Die Klageschrift wirft dem von Microsoft und Accenture im Jahr 2000 gegründeten Unternehmen unter anderem Betrug und Vertragsbruch vor.

Denn statt wie versprochen innerhalb von elf Monaten und für einen Festpreis von 11 Millionen US-Dollar Microsofts ERP-System AX einzuführen, hätten die Consultants auch nach drei Jahren das bestellte schlüsselfertige Produkt noch nicht geliefert. Der Kostenrahmen sei zudem deutlich überschritten worden, bis zur Fertigstellung müsse ScanSource mindestens 66 Millionen US-Dollar bezahlen.

Avanade habe während der 2009 begonnenen mehrmonatigen Suche nach einem ERP-Lieferanten die Konkurrenten SAP und Oracle ausgestochen, indem es Erfahrungen mit AX vorgegaukelt habe, die es in Wirklichkeit nicht besaß. Während der Projektlaufzeit sei die Hälfte der Berater ausgetauscht worden. Etliche von ihnen seien "schlicht inkompetent" gewesen. ScanSource nennt etwa den Avanade-Mitarbeiter Pedro Wong, der seinem LinkedIn-Profil zufolge erst ab 2009 mit der Zertifizierung für AX begann.

Die wechselnden Berater hätten insgesamt rund 500.000 Zeilen Code für das System geschrieben, sagt ScanSource. "Eine so ungewöhnliche Anpassung hat nicht nur die Leistung des AX-Systems verschlechtert, sondern wird auch die üblichen Wartungsarbeiten und spätere Upgrades erschweren und verteuern," befürchtet die Firma. Sie fordert nun einen zweistelligen Millionenbetrag als Schadenersatz. Über die Klage sollen Geschworene entscheiden.

ScanSource beschäftigt rund 1500 Mitarbeiter in 26 Ländern und erzielte zuletzt mit rund 30.000 Kunden einen Jahresumsatz von 3 Milliarden US-Dollar. Die Firma, deren Umsätze im ersten Quartal 2013 um fast 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgingen, verkauft unter anderem RFID-Produkte. Mit der gescheiterten ERP-Einführung steht sie nicht alleine da: ComputerWorld berichtet von einigen Projekten dieser Art, die 2012 schiefgingen. So seien die Kosten bei einem Vorhaben der US-Marine von geplanten 126 Millionen auf über 1 Milliarde US-Dollar gestiegen. Die Luftwaffe habe ein ERP-Projekt eingestellt, nachdem es trotz Ausgaben von 1 Milliarde Dollar keinen "nennenswerten militärischen Nutzen" gebracht habe. (ck)