Österreichs Grüne drehen den Überwachungs-Spieß um

Symbolisch überwachen Österreichs Grüne auf "Platterwatch" Innenminister Günther Platter und stellen Fotos und Videos ins Netz

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Von
  • Holger Bleich

"Wir überwachen die Überwacher!" Unter diesem Motto steht ein neues, von den österreichischen Grünen initiiertes Projekt namens Platterwatch. Mithilfe der Online-Community soll der Innenminister der Republik, Günther Platter (ÖVP) bei seinen öffentlichen Auftritten überwacht werden. Fotos, Videos und Berichte werden gesammelt und online gestellt, wobei die Initiatoren auch auf die Hosting-Dienste von YouTube und Flickr zurückgeifen wollen. "Nur ein gut kontrollierter Innenminister ist ein guter Innenminister", heißt es auf der Website. Die privaten Erledigungen des ÖVP-Politikers sind für die Überwachungs-Überwacher allerdings tabu.

Der Innenminister hat schon reagiert", schreibt Peter Pilz, Sicherheitssprecher der österreichischen Grünen im zugehörigen Blog. "Bis vor kurzem sind seine öffentlichen Auftritte Wochen vorher angekündigt worden. Plötzlich ist das anders. Erst am Tag vorher wird bekannt gegeben, wo der Minister ist und was er dort tut." Die erste Dokumentation ist aus Österreichs zweitgrößter Stadt Graz vom 9. Januar aus der Endphase des dortigen Gemeinderats-Wahlkampfes. Fotos und ein Video zeigen, wie Innenminister Platter gemeinsam mit dem Grazer Bürgermeister und ÖVP-Spitzenkandidaten Siegfried Nagl eine Tafel enthüllt, die auf neu installierte Überwachungskameras hinweist.

Anlass für die neue Initiative sind vor allem die von Platter beabsichtigte Einführung von Trojanern zur Spionage auf privaten Computern sowie das novellierte Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das Mobilfunker verpflichtet, auf Polizeibefehl Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung (IMSI) eines Handys preiszugeben. Gleichermaßen müssen Provider Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgeben. Eine richterliche Kontrolle der Wünsche der Polizei gibt es nicht mehr, auch eine Information der Betroffenen ist nicht vorgesehen. Als Reaktion haben drei Informatik-Professoren und eine Richterin gemeinsam mit den Grünen eine "Initiative für den Schutz vor dem Überwachungsstaat" gestartet. Sie sammeln online Unterschriften gegen den Überwachungsstaat und möchten mittels einer parlamentarischen Petition eine Beratung des SPG im Parlament erreichen. Rund 19.000 Bürger haben bereits unterzeichnet.

Unterdessen wurde auf der Platterwatch-Site jenes Formular (PDF) veröffentlicht, das die Bundespolizeidirektion Wien entworfen hat, um Polizisten die Anforderung der Daten von Netzbetreibern zu erleichtern. Informationen von bis zu 30 Personen können auf einmal erfragt werden. Dabei können auf dem Formular auch Datenanforderungen gestellt werden, die rechtswidrig sind. So kann etwa die Beauskunftung von Vermittlungsdaten mit der "Abwehr gefährlicher Angriffe" begründet werden – dafür ist aber eine richterliche Genehmigung erforderlich. Mit der gleichen Begründung ist es möglich, die Preisgabe von IMSI-Nummern (International Mobile Subscriber Identity) zu verlangen – dies ist jedoch nur im Falle der Ortung eines gefährdeten Menschen gesetzeskonform. Da keine richterliche Kontrolle mehr erfolgt, liegt es allein an den Mitarbeitern der Mobilfunker und Internetprovider zu kontrollieren, ob der Auskunftswunsch der Polizei gesetzlich gedeckt ist. "Das Formular lädt zum Missbrauch ein. Bei Tausenden Anforderungen ist der Missbrauch garantiert", heißt es dazu auf Platterwatch.at.

Siehe dazu auch:

(Daniel AJ Sokolov)

Daniel AJ Sokolov ist freier Journalist und berichtet für heise online über alle Themen aus Telekommunikation, IT und dem gesellschaftlichen Umfeld in Österreich. Sokolov ist parallel dazu auch Mitglied der österreichischen Grünen und Vorsitzender der Bezirksvertretung Wien-Josefstadt. (hob)