Unverhältnismäßig langer Weg zur Arbeit nicht versichert

Die Wohnung der Freundin darf nicht einfach als Zweitwohnung betrachtet werden. Jedenfalls dann nicht, wenn es um den Versicherungsschutz auf dem Weg zur Arbeit geht.

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Von
  • Marzena Sicking

Unfälle, die einem Arbeitnehmer auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zur Arbeit passieren, sind durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Der Versicherte kann dabei selbst entscheiden, ob er den kürzesten oder den schnellsten Weg zur Arbeit wählt und muss dies im Falle eines Unfalls auch nicht weiter begründen. Außerdem ist er frei in der Wahl des Transportmittels. Umwege sind grundsätzlich nicht versichert, allerdings gibt es hierbei auch einige Ausnahmen. Wird beispielsweise eine Fahrgemeinschaft von Arbeitnehmern gebildet oder muss der Angestellte auf dem Weg zur Arbeit auch noch seine Kinder in die Schule oder zur Betreuung bringen, dann gilt für die dazugehörigen Umwege ebenfalls der gesetzliche Versicherungsschutz.

Eine weitere Ausnahme gilt, wenn es sich um Fahrten von einer Familienwohnung handelt. Arbeitet der Angestellte zum Beispiel in einer anderen Stadt und ist Wochenendheimfahrer, sind auch die Fahrten zur Familie und von dort aus wieder zur Arbeit versichert. Die regelmäßig aufgesuchte Wohnung der Freundin gilt im Sinne des Versicherungsrechts allerdings nicht als "Familienwohnung". Das hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in einem jetzt veröffentlichten Urteil festgestellt (vom 27.9.2012, Az.: L 4 U 225/10).

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der von der Wohnung seiner damaligen Verlobten aus zur Arbeit gefahren war. Auf einer nicht geräumten Straße kam er durch Schnee und Eis ins Schleudern und prallte mit seinem Fahrzeug gegen einen Baum und wurde dabei verletzt. Die beklagte Unfallkasse lehnte die Anerkennung eines Wegeunfalls allerdings ab. Dass die Fahrt bei der Wohnung seiner Freundin begonnen habe, sei nicht durch die betriebliche Tätigkeit begründet, so die Versicherung zur Begründung. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Weg von der Wohnung seiner Freundin zur Arbeit imsgesamt 55 Kilometer betrug. Wäre der Mann von seiner eigenen Wohnung aus gestartet, hätte er nur 6,5 Kilometer fahren müssen.

Das Sozialgericht Koblenz entschied zunächst zu Gunsten des Versicherten und erklärte, dass auch der Weg von einem anderen Ort als der eigenen Wohnung Ausgangpunkt eines versicherten Weges sein darf. Da es sich um die Wohnung der Freundin bzw. Verlobten gehandelt habe, sei von einer sogenannten „gespaltenen Wohnung“, also einem zweiten Wohnsitz. Diese Entscheidung hat das Landessozialgericht allerdings in der Revision aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe die Wohnung der Freundin keinesfalls wie eine eigene genutzt, sondern sich dort nur regelmäßig zu Besuch aufgehalten. Auch sei die Differenz zwischen den beiden Arbeitswegen unverhältnismäßig, denn die Fahrt von der Wohnung der Freundin sei achtmal so lang. Angesichts dieser Umstände falle dieser Arbeitsweg nicht unter die erlaubten Ausnahmen und somit nicht versichert. Dem Arbeitnehmer stehen demnach keine Zahlungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu. (gs)
(masi)