Träume aus Papier

Tablets sind derzeit die heißesten Anwärter, um Print- und Online-Medien zu verschmelzen. Dabei haben sie noch immer gravierende Nachteile. Auf der CES wurde nun ein Tablet aus Papier vorgestellt. Ist das die Lösung?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh

Tablets sind derzeit die heißesten Anwärter, um Print- und Online-Medien zu verschmelzen. Dabei haben sie noch immer gravierende Nachteile. Auf der CES wurde nun ein Tablet aus Papier vorgestellt. Ist das die Lösung?

Als ich diese Woche auf Meldungssuche ging, bekam ich nach langer Zeit mal wieder Herzklopfen: Auf der CES wurde das Papertab vorgestellt, das dem ziemlich schon ziemlich nahekommt, wovon ich seit 2006 träume: dem interaktiven Papier.

Das Jahr ist mir so gut in Erinnerung, weil ich mich auf einem Seminar befand, auf dem wir unter anderem über die Zukunft des Online-Journalismus diskutierten. Meine Vermutung damals war: Online- und Print-Redaktionen würden irgendwann verschmelzen. Schlicht aus dem Grund, weil es irgendwann ein Trägermedium geben würde, das die Vorteile von Print und Online vereinen und deren Nachteile verlieren würde.

Vorteile der Medienform Print sind:

  • Sie ist angenehm zu lesen und transportabel (ein sogenanntes Lean-Back-Medium, neudeutsch für: Man kann sie genüsslich auf der Couch oder in der Badewanne lesen).
  • Sie ist haptisch, man hat etwas in der Hand - ein Faktor, der meiner Ansicht nach unterschätzt wird.

Ihre Nachteile:

  • sie ist begrenzt aktuell
  • sie bietet keinerlei Interaktionsmöglichkeiten

Online-Medien sind hingegen brandaktuell und interaktiv, aber niemand liest gerne lange Texte am Monitor, weil es einfach zu sehr anstrengt. Und selbst wenn man Notebooks oder Tablets mit auf die Couch nehmen kann – Badewannen und Strände sind Orte, an die man sie nicht mitnehmen kann oder will.

Das ideale Trägermedium, so mein Tipp damals, wäre eine Art Heft mit wenigen Seiten (lean back), in dem man blättern könnte (haptisch), und auf deren Seiten man Zeitungen, Magazine oder auch Bücher herunterladen könnte (aktuell, interaktiv und gleichzeitig). Wichtig: Dieses interaktive Heft ist robust (strandtauglich) und sein Schriftbild ist so ruhig wie das von gedrucktem Papier (lesefreundlich, akkuschonend).

Von beiden Seiten näherte sich die technische Entwicklung dieser meiner Idealvorstellung an: Der Kindle kam und das iPad kam. Letzteres, oder besser gesagt Tablets im allgemeinen, so scheint es, sind derzeit der heißeste Anwärter, um Print und Online zu vereinen.

Für mich haben Tablets aber noch immer gravierende Nachteile: Sie fühlen sich nicht an wie Papier, sie sind nicht robust und sie können nicht verschiedene Dinge auf verschiedenen Seiten gleichzeitig darstellen. Ein entscheidender Nachteil für micht: Um strukturiert arbeiten zu können, brauche ich die Möglichkeit, mehrere Dokumente nebeneinander vor mir auf dem Schreibtisch nebeneinander liegen zu haben und ordnen zu können. Der PC-Desktop hat dieses Versprechen nie eingelöst, der Tablet-Desktop noch viel weniger. Was mich aber vor allem nervt: Tablets schaffen eine neue Abhängigkeit – man muss sie ständig an die Steckdose hängen. Solange diese elektrische Inkontinenz nicht gelöst ist, werden sie Printmedien nie wirklich ersetzen können.

Das in Las Vegas vorgestellte Papertab macht mir Hoffnung, denn es besteht aus biegbaren Seiten mit eInk-Display, die relativ robust aussehen und deren Stromverbrauch niedriger ist als die leuchtenden Tabletdisplays. Man kann trotzdem auf ihnen tippen und wischen, wie man das von Tablets kennen- und lieben gelernt hat. Einen tollen Kniff der Entwickler ist in meinen Augen, dass sie die Seitenumblätterfunktion durch Knicken implementiert haben. Das nutzt die Haptik des Papier schön aus. Außerdem können die Seiten miteinander kommunizieren, man kann Inhalte allein durch Berühren übertragen, oder Inhalte auf mehrere Seiten erweitern. Ich hoffe, darin bald blättern zu können, vielleicht ja schon am Strand, bei meinem nächsten großen Sommerurlaub. (jlu)