Smartphone lernt Slang

Die Handy-Eingabehilfe Swype, mit der sich schneller tippen lässt, passt sich künftig per Crowdsourcing an neue Begriffe an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rachel Metz

Die Handy-Eingabehilfe Swype, mit der sich schneller tippen lässt, passt sich künftig per Crowdsourcing an neue Begriffe an.

Eigentlich haben die populäre Crowdfunding-Website Kickstarter, der Coach des US-Football-Teams Indianapolis Colts, Chuck Pagano, und der japanische Neujahrsbrauch Fukubukuro überhaupt nichts miteinander zu tun. Dennoch handelt es sich bei "Crowdfunding", "Pagano" und "Fukubukuro" um drei der populärsten neuen Begriffe, die Nutzer der Smartphone-Eingabehilfe Swype im letzten Jahr in ihr Handy tippten.

Ein neues Feature der Software, Living Language genannt, soll es Nutzern nun erlauben, an einem kollaborativen verteilten Wörterbuch mitzuarbeiten, das solche in keinem Duden stehenden Begriffe sammelt. So kann man sie schneller und vor allem korrekt eingeben und vermeidet die üblichen Auto-Korrektur-Fehler.

Swype erlaubt es seinen Usern, Worte zu tippen, indem sie mit einem einzelnen Finger über eine virtuelle Tastatur wischen. Living Language, an dem auch die Swype-Mutterfirma Nuance Communications mitarbeitet, erlaubt es dann beispielsweise, Phrasen wie "Gangnam Style" auszuschreiben, wenn man nur "Gangnam" eingegeben hat. Über die nächsten Jahre sollen so auch an geografische Regionen angepasste Wörterbücher entstehen, die sich sogar an den Beruf des Nutzers anpassen lassen. Außerdem könnte die Technik dabei helfen, Sprachen mit wenigen Sprechern einzubinden, die die Software-Industrie sonst gerne ignoriert.

Swype erlaubt es schon jetzt seinen Nutzern, eigene Worte zu definieren, um das Werkzeug zu personalisieren. Das reicht aber nicht aus, wie Aaron Sheedy, Vizepräsident für den Bereich Eingabesysteme bei Nuance Mobile, sagt. Sprachliche Eigenheiten variierten von Person zu Person und Ort zu Ort und es sei schwierig, mit sich ständig ändernden Fach- und Slangbegriffen mitzuhalten, was durch die vielen unterschiedlichen Sprachen noch deutlich verkompliziert werde.

Genau hier soll nun Living Language greifen. Viel tun muss man dafür nicht: Einmal aktiviert, synchronisiert Swype sich automatisch mit der Datenbank des Unternehmens und gleicht vom Nutzer eingegebene neue Worte ab. Ergibt sich eine kritische Masse an Usern, die ein neues Wort hinzugefügt haben, wird es auch an die anderen Teilnehmer ausgespielt. Derzeit aktualisiere man wöchentlich, sagt Sheedy.

Parallel begibt sich das Swype-Team aber auch selbst auf die Suche: Man durchforste Blogs und Websites nach neuen Begriffen, die in die Sammlung passten, so der Manager. Das Crowdsourcing sei aber schneller. Phrasen wie "Gangnam Style" tauchten viel schneller in der Umgangssprache der Nutzer auf, als sie in den Medien landeten. "Sprache wandelt sich immer schneller und es ist schwer, mitzuhalten – solange man nicht die Erlaubnis hat, zuzusehen, wie die Leute Sprache tatsächlich verwenden."

Living Language baut auf einem Update für Swype auf, das im September ausgerollt wurde: Seither ist es möglich, eigene Wörterbücher zu sichern und über Geräte hinweg abzugleichen. (Zuvor musste man immer neu loslegen, wenn man ein frisches Handy bekam.) Zu diesem Zeitpunkt fragte Swype auch bei einigen seiner Nutzer nach, ob es erlaubt sei, diese Daten zu untersuchen. Dabei ergab sich unter US-Usern beispielsweise zehntausendfach der Begriff "Lochte" für den gleichnamigen olympischen Schwimmer Ryan Lochte. Daraus schlossen die Entwickler, dass es notwendig ist, sehr aktuelle Wörterbücher anzubieten, die auch Trendbegriffe aus der ganzen Welt enthalten.

Jim Glass, leitender Wissenschaftler am Labor für Informatik und KI des MIT, der zum Thema Sprache forscht, meint, das Living Language weder die Firma noch die Nutzer viel kosten werde. "Aber beide profitieren davon." Es sei nicht anders als bei den klassischen Wörterbuchproduzenten, die regelmäßig neue Begriffe hinzufügen – nur schneller. "Das ist ein neuer Mechanismus, sie aktuell zu halten."

Ein ständig aktuelles Swype-Wörterbuch bedingt aber auch, dass Worte wieder zurückgezogen werden können. Sheedy zufolge wird dafür ein einfacher Mechanismus verwendet: Jeder neue Begriff geht nach sechs Monaten wieder verloren, sollte er sich nicht einer anhaltenden Popularität erfreuen (siehe "Lochte"). Aber keine Angst: Hat man einen Begriff selbst in sein Gerät eingegeben, bleibt dieser natürlich bestehen, betont Sheedy. Um bei Living Language mitzumachen, muss man einwilligen, selbst definierte Wörter mit Nuance zu teilen. (bsc)