Die Underdogs machen mobil

Die Vormacht der Smartphone-Betriebssysteme iOS und Android ist gewaltig. Doch einige Unternehmen wagen das scheinbar Unmögliche: den Angriff auf das Duopol.

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Von
  • Rachel Metz

Die Vormacht der Smartphone-Betriebssysteme iOS und Android ist gewaltig. Doch einige Unternehmen wagen das scheinbar Unmögliche: den Angriff auf das Duopol.

Der Markt für Smartphone-Betriebssysteme ist im Großen und Ganzen eine zweifarbige Welt. Sie können sich für iOS entscheiden – dann müssen Sie ein Apple-Gerät kaufen. Oder für Android von Google. Dazwischen gibt es noch zwei Farbtupfer: Windows Phone 8 von Microsoft und BlackBerry10 von RIM. Doch nun schickt sich eine Handvoll von Unternehmen an, die Smartphone-Welt wieder bunter zu machen – und so die Nutzer aus dem Lock-in zu befreien, in das sie iOS und Android führen.

Laut der Marktforschungsfirma IHS iSuppli läuft auf 87 Prozent aller Smartphones eines der beiden etablierten Betriebssysteme. Dabei sei zumindest Android ursprünglich als ein neutrales System – eine Art "Software-Schweiz" – angesehen worden, das keinem Hardware-Hersteller gehört, sagt David Yoffie von der Harvard Business School. Als Google mit dem Kauf von Motorola selbst zum Hersteller wurde, habe sich das Bild gewandelt. Zwar lässt sich Android verändern, doch die Hoheit über seine weitere Entwicklung liegt nach wie vor bei Google. Inzwischen wünschten sich sowohl Gerätehersteller als auch Netzbetreiber mehr Optionen, sagt David Yoffie. Sie fürchten, dass das Duopol Innovationen behindert und sie zu stark kontrolliert.

Sie könnten es zum Beispiel mit Tizen probieren, einer von Samsung und Intel unterstützten Plattform. Oder mit Firefox OS, entwickelt von der Mozilla Foundation, oder mit einer Smartphone-Variante des freien Betriebssystems Ubuntu Linux. Dazu kommen Versuche, das vielfach gelobte System webOS von Hewlett-Packard zu reaktivieren.

Die Herausforderer müssen aber ein Problem knacken: Wie schafft man es, ein stabiles Ökosystem aus eigenen Anwendungen mit genügend Nutzern aufzubauen? Tizen, Firefox OS und das mobile Ubuntu hoffen, mit Apps zu punkten, die auf dem Web-bassierten Standard HTML5 aufbauen. Dessen Vorteil: Entwickler, die mit ihm arbeiten, können die Anwendungen leichter für mehrere Plattformen gleichzeitig auslegen.

Tizen, das aus MeeGo-Plattform von Nokia hervorgegangen ist und ebenfalls auf Linux basiert, könnte am ehesten Erfolg haben. Neben Samsung und Intel zählen bereits große Netzbetreiber wie Sprint, Vodafone und die japanische NTT Docomo zu den Unterstützern. Dazu kommt noch das chinesische Telekommunikationsunternehmen Huawei. Die Software ist zwar noch nicht fertig. Aber wie ein Video auf der Tizen-Entwicklerkonferenz vom letzten Jahr zeigte, wartet es mit einigen interessanten 3D-artigen Effekten auf, etwa einer spiralförmigen Kaskade beim Durchsehen von Fotos.

Die Mozilla Foundation und Canonical, die Firma hinter dem mobilen Ubuntu Linux, wollen wiederum mit offeneren Systemen, die von keinem Unternehmen dominiert werden, Nutzer überzeugen. So sind Apps in Firefox OS im Wesentlichen Webseiten. Selbst das Wählen von Telefonnummern laufe als App ab, sagt Chris Lee, der in der Mozilla Foundation die Entwicklung des Betriebssytems leitet.

Der RAM-Speicher in Firefox-Smartphones wird nur 256 Megabyte haben. Nutzer können über eine microSD-Schnittstelle eigene Speicherkarten einlegen, um Musik, Bilder und Videos vorzuhalten. Die ersten Geräte würden deshalb wohl um die 100 Dollar kosten, sagt Lee – so viel wie günstige Android-Geräte. Produzieren werden sie der Elektronikhersteller TCL Comunication Technology und die chinesische Telko-Firma ZTE. Sie sollen in der ersten Jahreshälfte 2013 zuerst in Brasilien auf den Markt kommen, wo sie von Vivo, einer Marke des Netzbetreibers Telefónica angeboten werden.

Diese Strategie könnte sich auszahlen, vor allem in Märkten, auf denen Telefónica stark ist, glaubt Scott Bicheno, Analyst bei Strategy Analytics. „Im niedrigen Preissegment gibt es noch jede Wachstumsmöglichkeiten in anderen Weltregionen“, sagt Bicheno. Allerdings lauere dort auch ein Problem: der Zugang zu schnellen mobilen Netzen. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern mangele es noch an zuverlässigen Netzen, so Bicheno.

Das stimme zwar, gibt Mozilla-Entwickler Lee zu, dafür biete Firefox OS Funktionen, die auch offline laufen. Einige App-Hersteller sind bereits mit im Boot, darunter seien Facebook, Twitter und Google, sagt Lee, plus lokale Entwickler in verschiedenen Märkten.

Canonical hat zwar für sein mobiles Ubuntu noch keine Hardware- oder Netzpartner bekannt gegeben. Projektmanager Richard Collins hofft aber, schon 2016 einen Marktanteil von fünf bis zehn Prozent zu erreichen.

Dafür peilt Ubuntu nicht nur das billige Marktsegment an, sondern auch das für hochpreisige Geräte. Die sollen dann auch als PC dienen, wenn man Tastatur, Maus und Monitor anschließt. Gemeinsam mit einem Hardware-Hersteller und einem Netzbetreiber soll der Verkaufsstart der Ubuntu-Smartphone Anfang 2014 starten, sagt Collins.

Doch selbst mit einem prallen Vorrat an Apps dürfte es für die mobilen Underdogs schwer werden, Marktanteile zu erobern. Immerhin ist der Smartphone-Markt sehr dynamisch und wächst weiterhin kräftig. Während zum Jahreswechsel bereits 46 Prozent aller Mobiltelefonierer ein Smartphone hatten, sollen es Ende 2013 nach einer Prognose von IHS iSuppli bereits 56 Prozent sein.

(nbo)