Die Woche: Forken sollte wohlüberlegt sein!

Gerade wurde mit Consort eine weitere Desktop-Oberfläche mit Gnome-Wurzeln vorgestellt. Das bringt Linux nicht weiter und bindet Ressourcen, die anderswo mehr bewirken könnten.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis

Das Recht zu Forken – also eine Software unabhängig von den bisherigen Entwicklern unter anderem Namen weiterzuentwickeln – gehört zu den Eckpfeilern von Open-Source-Lizenzen. Allerdings wählen Entwickler diesen Weg viel zu oft, anstatt sich zusammenzuraufen und so Größeres zu schaffen.

Ein aktuelles Beispiel liefert die neue Desktop-Oberfläche Consort. Sie ist ein Fork einiger Komponenten, die bei Gnome 3 bislang die als Fallback- oder Classic-Modus bekannte Oberfläche realisieren und die Gnome 2 ähnelt und keine 3D-Beschleunigung erfordert.

Das Gnome-Projekt hat die Weiterentwicklung dieser Komponenten nach einiger Überlegung kürzlich eingestellt. In so einer Situation kann ein Fork durchaus angebracht sein. Hier ist er es meiner Meinung nach nicht, schließlich hat das Gnome-Projekt den Code aufgegeben, weil er weder Tester noch Entwickler angezogen hat. Zwar ändert sich Letzteres mit dem Fork – eine vielversprechende Ausgangsbasis sieht trotzdem anders aus. Consort führt zudem zu einer weiteren Zersplitterung des Desktops und braucht noch einige Umbauten, bis es überhaupt so weit ist, um mit anderen GTK-Desktops konkurrieren zu können – also Gnome 3, Cinnamon, Mate oder Xfce.

Ein weiteres Problem von Forks zeigt sich bei Athena, dem Dateimanager von Consort. Dessen Code basiert auf Nautilus 3.4, dem bei Gnome 3.4 eingesetzten Dateimanager, der bei Umbauten für die Versionsreihe 3.6 eine Reihe von Funktionen eingebüßt hat. Die wollten manche Anwender nicht missen, daher war ein Fork hier ein durchaus akzeptabler Weg; "Survival of the Fittest" wird es richten, auch wenn derlei Konkurrenz Ressourcen frisst, die anderswo mehr bewirken könnten.

Aber: Athena ist nicht der einzige Fork von Nautilus 3.4. Es ist noch nicht einmal der bekannteste, denn der heißt Nemo – unter anderem der Dateimanager auf dem Cinnamon-Desktop bei Linux Mint 14. Beide Forks sind jetzt knapp ein halbes Jahr alt und es gibt keine Anzeichen einer engeren Kooperation, dabei sind die wesentlichen Ziele der Forks die gleichen. Dadurch gehen nicht nur Ressourcen flöten, das Ganze verwirrt und frustriert auch Anwender – etwa wenn von ihnen geliebte Plug-ins nur mit einem der Dateimanager laufen.

Consort, Athena und Nemo sind hier nur ein aktuelles und einfach überschaubares Beispiel, wo zweifelhafte Abspaltungen entstehen oder mehrere Forks miteinander konkurrieren. Es gibt viele weitere Beispiele, die oft komplexer sind, weil dort auch Firmeninteressen und Profitwillen ein Faktor sind – etwa OpenOffice vs. LibreOffice und MySQL vs. MariaDB und Co.. Auch die vielen Distributionen und Desktops wirken auf manchen Einsteiger abschreckend. Daher:

Liebe Freizeitentwickler und im Open-Source-Bereich aktive Unternehmen: Versucht es doch bitte etwas stärker mit Kooperation statt Konkurrenz; und überlegt euch vorher noch gründlicher, ob ein Fork wirklich die beste Lösung ist. Gemeinsam lässt sich einfach mehr erreichen und die Qualität von Open-Source-Software steigern. So könnte freie Software vielleicht auch in Einsatzbereiche und Herzen vorstoßen, die sie noch immer nicht für sich erobern konnte. (thl) (thl)