Big Data, oder: Muster verbinden sich

"Wir sind alle gleich vorhersehbar": Big Data und der Nutzen, den Firmen aus der Analyse ziehen können, waren ein zentrales Thema beim DLD. Welche Daten werden gesammelt, um den Kunden besser anzusprechen? Welche Kundendaten kann man wem verkaufen?

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Von
  • Detlef Borchers

Big Data und der Nutzen, den Firmen aus der Analyse von Big Data ziehen können, waren ein zentrales Thema der DLD-Konferenz in München. Das Motto "Pattern to Connect" wurde vor allem in der Kundenorientierung diskutiert: Welche Daten werden gesammelt, um den Kunden besser anzusprechen? Welche Kundendaten kann man wem verkaufen?

Bereits zum Auftakt der Konferenz ließ der Buchautor David Smolan (The Human Face of Big Date) seiner Begeisterung für Big Data freien Lauf: Big Data werde das 21. Jahrhundert prägen und die Menschen zu einem neuen Bewusstsein führen, wie verbunden sie einander doch sind. Sie würden "Data-Doppelgänger" suchen, deren Lebensläufe bis ins kleinste Detail dem eigenen entsprechen, sie würden Kinder von Klein auf als "Data-Detektive" ausbilden. Dank Big Data würden Katastrophen wie das Erdbeben in Japan glimpflicher ablaufen und die Wurzeln der Kriminalität erkannt und vorab bekämpft. Von der personalisierten Medizin über intelligente Stromzähler bis zum datenunterstützten Leben im Alter werde Big Data dem Menschen eine neue Welle der Aufklärung bescheren.

Etwas zurückhaltender gab sich der Data Scientist D.J. Patil, Autor von Data Jujitsu. Er verglich die Diskussion über Big Data mit dem Gerede von Teenagern über Sex: Alle reden davon, doch keiner hat praktische Erfahrungen. Wenn Big Data wahre Wunder vollbringen könne, so müsse doch die Frage gestellt werden, warum die Finanzmärkte mit ihren umfassenden Datenbergen und Analysetools kollabieren konnten. Big Data könne verborgene Muster finden, doch bedürfe es der Menschen, die Daten zu gewichten und Grenzen zu ziehen. Als Paradebeispiel für den richtigen Einsatz von Big Data verwies Patil auf Captain Kirk und seinen Wissenschaftler Spock vom Raumschiff Enterprise. Daten, die Spock mit kühlem Verstand analysiert habe, würden von Kirk vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bewertet.

Werner Vogels, Cheftechniker bei Amazon, das gerade eine eigene Serverfarm zur Analyse von Big Data aufbaut, reagierte in der Diskussion belustigt auf Patils Beispiel: Sein Boss Jeff Bezos sei der Spock von Amazon, einen Kirk brauche es nicht. Vogels empfahl den Zuhörern, selbst dann mit Big Data zu beginnen, wenn man nur 10 Kunden habe. Wer alles von diesen Kunden wisse, sei im Vorteil, auch wenn er dazu externen Sachverstand über Angebote wie Kaggle zukaufen müsse. Padmasree Warrior von Cisco ergänzte, dass man Big Data sehr gut auf die eigene Belegschaft anwenden kann. So habe Cisco durch die Analyse der e-Mail-Nutzung in der Firma herausgefunden, dass offizielle Rundschreiben des Managements nicht beachtet würden und daraufhin den Stil dieser Rundschreiben geändert.

Ein listiger Einwand gegen Big Data kam vom Informatiker Albert-Lázló Barabázi vom ungarischen Center of Complex Networks. Er berichtete in seinem Vortrag davon, dass man mit den Bewegungsdaten von zwei Wochen ein Bewegungsprofil einer Person aufbauen kann, das zu 93 Prozent exakt die künftigen Wege vorhersagen kann: "Wir sind alle gleich vorhersehbar", war das Fazit des Informatikers. Firmen wie Car2Go oder Uber profitieren von diesen Erkenntnissen.

Die Diskussion des Themas litt darunter, dass die immer gleichen Beispiele für die Nutzung von Big Data angeführt wurden, etwa die flexible Gestaltung der Haftpflichtversicherung, je nachdem welche Insassen von den Sensoren erkannt wurden. Auffallend häufig wurden Captain Kirk, die Tricorder als Big-Data-Sensoren und die Enterprise bemüht. Kritik an Big Data kam eher von den Teilnehmern denn von den Rednern, die vollmundig postulierten, dass Big Data kein Big Brother sei. Dass Netzangebote florieren, die ausdrücklich auf die Erhebung von Daten aller Art verzichten, interessierte die versammelten Investoren und Startups nicht. (jk)