Ein Leben jenseits von Apple und Samsung

Japans größter Mobilnetzbetreiber NTT Docomo zeigt mit seiner Handy-Frühjahrkollektion, dass sogar japanische Hersteller hübsche Telefone bauen können, die die Produkte der großen Konkurrenten aus Amerika und Japan in einigen Punkten übertreffen.

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Von
  • Martin Kölling

Japans größter Mobilnetzbetreiber NTT Docomo zeigt mit seiner Handy-Frühjahrkollektion, dass sogar japanische Hersteller hübsche Telefone bauen können, die die Produkte der großen Konkurrenten aus Amerika und Japan in einigen Punkten übertreffen.

Ich muss gestehen: Ich bin kein Fan von NTT Docomo. Ich finde das Preissystem von Japans größtem Mobilnetzbetreiber zu kompliziert für meinen simplen Geschmack. Und außerdem führte der Erfinder des ersten wirklich erfolgreichen mobilen Internetdienstes i-Mode kein iPhone im Programm, als ich vor mehr als zwei Jahren von meinem japanischen Handy auf ein Smartphone mit einem einfach nutzbaren Betriebssystem umstieg. Es war eine Kopfentscheidung für Apple gegen meine Apple-Phobie. Damals war Googles Konkurrenzsystem Android einfach noch nicht so weit wie jetzt. Und so ging es vielen: NTT Docomo hat rapide Marktanteile verloren, während seine Rivalen Softbank und AU beide mit iPhones im Angebot Kunden gewinnen.

Doch der Besuch von NTT Docomos Schaulaufen der mobilen Frühjahrskollektion in Sachen Smartphone und Tablet hat mir nochmals so richtig vor Augen geführt, warum Apples Marktanteile schwinden – und dass auch Samsung sich nicht auf seinem Thron ausruhen kann. Mit fast einem Dutzend neuer Modelle aus aller Herren Länder, die Apples iPhone und auch Samsungs Galaxy technisch in verschiedenster Hinsicht überlegen sind, greift NTT Docomo in Japan nun bei Smartphones an. Und siehe da: In Japan zeigen selbst die japanischen Handy-Dinos, die global schon ausgestorben sind, noch ein paar Lebenszeichen,.

Fasziniert von der Idee und dem Design hat mich ein Gerät von NEC, das "Medias N-05E ": Es hat zwei Bildschirme, die sich zu einem großen "aufklappen" lassen. Aufklappen ist dabei allerdings etwas irreführend, weil die Bildschirme so geklappt werden, dass zusammengeklappt sowohl die Rück- wie auch die Vorderseite aus Bildschirmen bestehen. Mit einer Bilddiagonalen von 5,6 Zoll und einer Dicke von je 0,68 Zentimeter ist das Handy groß und auch schlank zugleich.

Es ist nicht das erste Gerät mit dieser Idee, aber meines Erachtens das schickste. Wie dem auch sei, interessant fand ich die Anwendungen, die damit möglich werden: So kann man mit dem Splitscreen auf der einen Seite beispielsweise das Adressverzeichnis studieren, während auf der anderen der Internetbrowser läuft. Oder der untere Bildschirm wird zur Tastatur, wodurch der obere mehr Text darstellen kann.

Der kriselnde Elektronikkonzern Panasonic, der voriges Jahr mit seinem erneuten Handy-Markteintritt in Europa böse auf den Bauch gefallen war, stellte sein wasserdichtes Eluga vor. Es kann nicht nur mit dem Fernseher über eine App nahtlos kommunizieren, sondern auch kontaktlos Strom tanken. Das perfekte Gerät für den Nachwuchs: Mit seinem Full-HD-Bildschirm und einer großen Batterie verspricht dieses Gerät nächtelangen Filmgenuss unter der Bettdecke. Besonderes Merkmal ist überdies die 13-Megapixel-Kamera, deren fotografischen Qualitäten gegenüber vorigen Modellen deutlich verbessert wurde.

Und da waren auch noch Handys aus China, von Huawei. Das Ascend D2 protzte mit der derzeit schnellsten Datenrate der Welt: 112,5 Mbps. Außerdem ist dessen Bildschirm mit einer neuen Beschichtung versehen. Erstens verläuft sich durch sie Wasser auf dem Display nicht fladig, sondern bildet zusammengezogen durch seine Oberflächenspannung formvollendete Tropfen. Zweitens bleibt das Display auch feucht bedienbar. Normalerweise versagen die Touchscreens in benetztem Zustand.

Als Tablet-Rivalen schickt NTT Docomo Sonys Xperia Z ins Rennen, das für sich in Anspruch nimmt, das dünnste Tablet der Welt zu sein. Und wirklich, in der Hand wirkt das iPad neben dem Leichtgewicht wie ein Produkt eines deutschen Ingenieurs: massiv, robust und vor allen Dingen stahlgeschwängert schwer.

Darüber hinaus bot NTT Docomo Apple, Google und Amazon auch anderweitig die Stirn. Dafür soll ein Tablet für 85 Euro sorgen, und so viele Filme und Musik, wie man in einem Monat nur will – zu Preisen, die im iTunes Store für einen Film fällig werden. "D-Market" heißt das Portal, das fest mit der neuen Hardware des Konzerns verbunden ist.

Meine Lehre der Modenschau: Die globalen Giganten müssen sich weiterhin vor lokalen Riesen in Acht nehmen. Die vielen kleinen Handy-Hersteller und Netzbetreiber kommen derzeit zwar kaum auf die Gewinnmargen globaler Player. Aber in einigen Märkten können Lokalmatadoren ihnen doch Marktanteile abjagen. Und ich freue mich, dass ich endlich mal wieder interessante Alternativen aus japanischer Produktion anfassen konnte. Das kam zuletzt nicht allzu häufig vor. (bsc)