Handy lotst Blinde

Dank Smartphones gehört die GPS-Navigation heute zum Alltag. Damit endlich auch Blinde davon profitieren, sollen Navis nun auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und das Handy zum Blindenhund werden.

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Von
  • Sven Titz

Dank Smartphones gehört die GPS-Navigation heute zum Alltag. Damit endlich auch Blinde davon profitieren, sollen Navis nun auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und das Handy zum Blindenhund werden.

Die Schloßstraße in Berlin-Steglitz ist eine belebte Einkaufsstraße. Eine Baustelle lärmt, auf dem Trottoir liegt Schnee. Durch das Gewusel macht sich Lothar Rehdes auf den Weg zum Supermarkt. Der 56-Jährige ist seit seiner Geburt blind und hat schon vieles ausprobiert, was ihm die Orientierung erleichtern soll. Nun will er wissen, ob eine Navigations-App von TomTom ihm den richtigen Weg weist. Aus dem Brustbeutel meldet das Handy „Kreuzung Schloßstraße und Kieler Straße“. Das ist korrekt. Dann kündigt die App einen Imbiss an – doch an dem ist Rehdes schon vorbei. Auch den Supermarkt selbst verpasst das Gerät. Um den Eingang zu finden, muss Rehdes Passanten fragen oder sich auf seine eigene Erinnerung verlassen. „Manchmal könnte ich das Gerät an die Wand knallen“, brummt Rehdes.

Für Sehende klingt das ziemlich ernüchternd. Sie sind es schließlich seit Jahren gewohnt, von Navigationsgeräten weitgehend problemlos bis vor die Haustür geleitet zu werden. Doch die Anforderungen von Blinden und Sehbehinderten sind weitaus höher. Sie benötigen detailliertere Karten und eine auf sie zugeschnittene Bedienung. Deshalb sitzen Forscher daran, handelsübliche Smartphones so zu erweitern, dass sie auch blinden Nutzern Orientierung geben.

„Digitale Techniken werden immer interessanter“, sagt Gerhard Renzel, Verkehrsexperte beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. Er ist selbst vor 20 Jahren durch eine Krankheit erblindet und glaubt, dass Smartphones die klassischen Hilfsmittel wie den weißen Langstock und den Führhund zwar nicht verdrängen werden. „Sie dienen aber als Ergänzung“, betont er.

So richtig los ging es nach der Jahrtausendwende, erzählt Renzel. Damals kamen speziell für Blinde konstruierte GPS-Empfänger mit Sprachausgabe auf den Markt, die zum Teil immer noch erhältlich sind. Mit ihnen ließen sich einmal aufgezeichnete Routen ablaufen und interessante Orte wie Restaurants finden. Viele Blinde benutzen die Geräte bis heute. Allerdings kosten sie bis zu 900 Euro, sind recht unhandlich, und ihre Nutzer können sich nicht darauf verlassen, auch in den nächsten Jahren noch Software- und Karten-Updates zu bekommen.

Andere hoch gehandelte Projekte bleiben oft weit früher auf der Strecke. In den letzten Jahren sind mancherorts sehr aufwendige Accessoires entwickelt worden, etwa ein Stock mit eingebautem GPS-Navi oder ertastbare („taktile“) 3D-Karten der Umgebung. Viele solcher Vorhaben sind jedoch im Stadium teurer Prototypen stecken geblieben.

(grh)