Schöner Scheitern

Wenn Firmengründer keinen Erfolg am Markt haben, reden sie nicht gern darüber. Sollten sie aber, findet Sascha Schubert und holte die US-Konferenz Failcon erstmals nach Deutschland.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Wenn Firmengründer keinen Erfolg am Markt haben, reden sie nicht gern darüber. Sollten sie aber, findet Sascha Schubert und holte die US-Konferenz Failcon erstmals nach Deutschland.

Der Ort könnte passender nicht sein. Die Jerusalemkirche in Berlin-Mitte ist ein schlichter Nachkriegsbau: Ein flaches Gebäude aus rotem Backstein, davor ein rechteckiger Turm, obendrauf ein Kreuz – fertig ist das Gotteshaus. Im Krieg zerstört, ist die in den 60ern wiederaufgebaute Kirche ein Symbol für den pragmatischen Neubeginn. So passt es, dass sich an diesem grauen Novembertag Jungunternehmer in den schlichten, in Holzoptik gehaltenen Räumen treffen – nicht um zu beten. Denn Gottesdienste finden hier seit 2001 nicht mehr statt. Sondern um zu reden. Darüber, wie man noch einmal von vorn anfängt. Sie kommen nicht, um sich gegenseitig mit den steigenden Umsätzen ihrer Firmen und ihren kühnen Expansionsplänen zu beeindrucken. In der ehemaligen Kirche geht es um etwas, das hierzulande totgeschwiegen wird: das Scheitern.

„Eigentlich passt das doch ganz gut: Die Kirche als ein Ort der Beichte, des Verzeihens, der Hoffnung“, sagt Sascha Schubert und lacht. Der etwas beleibtere 40-Jährige stammt aus Gelsenkirchen und hat sich seine westfälische Gelassenheit und seinen Ruhrpott-Humor in der Hauptstadt bewahrt. Schubert hat diese Konferenz der besonderen Art organisiert, deren Vorbild 2009 in den USA erstmals stattfand. Mittlerweile hat die Failcon Ableger in Brasilien, Frankreich, Singapur und Australien. Es ist nicht das einzige Projekt, bei dem sich Sascha Schubert für junge Firmengründer engagiert. Er ist zudem Vorstand des Entrepreneurs Club Berlin, einem Netzwerkverein, der regelmäßig das „Startup Camp“ organisiert. Für ihn entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die erste deutsche Failcon in einer Kirche stattfindet. Fiel die Wahl zunächst aus finanziellem Pragmatismus („Sie hatten uns einfach ein gutes Angebot gemacht.“), findet Schubert mittlerweile Gefallen an dem ungewöhnlichen Ort.

Doch eine verschämte Kollektiv-Beichte soll die Failcon nicht werden. Schubert will einen Mentalitätswandel: „Wer Neues versucht, verdient Respekt – auch wenn er scheitert.“ Er hat einige dieser geschliffenen Sprüche parat. Zum Beispiel auch: „Der Gescheiterte ist der Gescheitere – sofern er kein Dummkopf ist.“

Schubert ist selbst auch ein gescheiterer Gescheiterter: „Mein zweites Start-up hat mich 50000 Euro gekostet“, erzählt er trocken am Buffet. „Das war genauso teuer wie ein MBA. Aber es war das Geld wert.“ Schubert gab nicht auf. Seine dritte Firma heißt Spendino. Sie liefert eine Software, über die NGOs unkompliziert Spenden einsammeln können. Die Erfahrung aus seinen beiden ersten Anläufen hat ihn dieses Mal vor vielen Fehlern bewahrt, das Unternehmen existiert nach wie vor. Um Erfahrungsaustausch geht es ihm auch bei der Failcon. „Die Leute sollen mit ihren Erlebnissen offen umgehen und ihr Scheitern nicht verschämt für sich behalten. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, wie man eine Insolvenz richtig abwickelt und melden sie zu spät an.“ Was zur Folge haben kann, dass sie neben dem finanziellen Verlust zusätzlich bestraft werden, weil ihnen ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung droht. „Ist man vorbestraft, ist die Zukunft verbaut. So jemand gründet nicht noch mal.“

Wer scheitert, wird bestraft. Daraus entstehen nicht nur persönliche Leidensgeschichten, „sondern auch ein volkswirtschaftlicher Schaden“, beklagt Schubert. Denn das wertvolle Wissen, das er bei seinem Gründungsversuch erworben hat, ist damit verloren. „Das muss der Gesetzgeber dringend ändern.“

Schließlich ist Scheitern die Regel, Erfolg die Ausnahme: Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn hat 2011 401000 Existenzgründungen gezählt – und 383000 Firmenauflösungen. 80 Prozent aller Start-ups gehen Schätzungen zufolge ein. Die ersten drei Jahre nach Firmengründung sind besonders kritisch. Schon hier geht der Hälfte aller jungen Unternehmen die Puste aus. (jlu)