Tiefste Meere, kleinste Chips

Der Japan-Preis geht diesmal an den Vater der Tiefseeforschung und einen Mann, der die Halbleiterindustrie Milliarden kosten könnte.

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  • Martin Kölling

Der Japan-Preis geht diesmal an den Vater der Tiefseeforschung und einen Mann, der die Halbleiterindustrie Milliarden kosten könnte.

In Asien gibt es einen Wissenschaftspreis, der im Ausland kaum bekannt, aber dem Nobelpreis an Adel noch überlegen ist. Einmal pro Jahr überreicht Japans Tenno, das Oberhaupt der ältesten Monarchie der Welt, die Auszeichnung in zwei Rubriken. Was ich allerdings an dem Preis besonders sympathisch finde: Er zielt vor allem darauf ab, Forschung auszuzeichnen, die die menschliche Gesellschaft vorangebracht oder bereichert hat.

Die Juroren erwiesen dabei schon öfter ein geschicktes Händchen: Mehrere Japan-Preisträger erhielten später den Nobelpreis, darunter auch der deutsche Wissenschaftler Peter Grünberg für die Entdeckung des Riesenmagnetwiderstands, der die Entwicklung von Festplatten ermöglicht hat. Das Japan-Preis-Komitee stellte am Mittwoch drei Preisträger vor, denen der Tenno im Frühjahr Urkunden und die Preisgelder in Höhe von 500.000 Euro übergeben wird.

Im Feld "Biologische Produktion und Umwelt" wurde der amerikanische Meeresbiologe John Frederick Grassle ausgezeichnet, der die Grundlagen für die moderne Tiefseeforschung legte. Professor Grassle, emeritierter Professor der State University of New Jersey, habe einen großen Beitrag zur Aufklärung der Mechanismen geleistet, die im Ozean "eine große Biodiversität schaffen und unterhalten", heißt es in der Laudatio.

"Die Tiefen des Ozeans waren lange ein unbekanntes Gebiet", erklärte Professor Kunio Iwatsuki, der Vorsitzende des Subkomitees. Früher habe man geglaubt, dass in den Tiefen die Photosynthese nicht funktioniere und sich daher unterseeisch eine Wüste mit nur wenigen Lebewesen erstrecke. Erst in den 70er Jahren begann die Erforschung, und man war überrascht über den Reichtum an Leben. Grassle habe geschlussfolgert, dass nicht nur Photosynthese Leben unterstütze, sondern auch Chemosynthese, bei der Schwefelwasserstoff von Bakterien umgebaut wird.

Grassle startete auch eine Volkszählung der Tiefseebewohner, den Census of Marine Life. Die ersten Ergebnisse des weltumspannenden Mammutvorhabens wurden 2010 vorgestellt. Und der Artenreichtum überraschte viele: In der Ostsee gingen den Forschern fast 6000 Arten ins Datennetz.

Die Vielfalt der Ostsee wirkt allerdings mickrig im Vergleich zu den artenreichsten Regionen. In Australien und in Japan gibt es fast 33.000 Spezies. Aber dies sei womöglich erst der Anfang, sagte Grassle in einer Video-Botschaft. Aus gesundheitlichen Gründen konnte der 73-jährige nicht persönlich zur Bekanntgabe der diesjährigen Preisträger des Japan-Preises erscheinen.

In der Rubrik "Material und Produktion" ging die Auszeichnung dagegen an einen Mann, dessen neueste Erfindung die Chipindustrie Milliarden kosten könnte. Grant Willson und sein Kollege Jean Fréchet erhielten den Preis für ihre Entwicklung von Fotolacken für die Fabrikation von Leiterplatten in der Chipherstellung, die den Durchbruch in den Nanometer-Bereich ermöglichten und heute in vielen Halbleitern stecken.

Entwickelt haben sie die Technik Ende 1979 gemeinsam im Forschungslabor des damaligen Computergiganten IBM in San Jose – Willson als IBM-Mann, Fréchet als akademischer Gastforscher aus Kanada. IBM habe versucht, die Chips zu verkleinern. "Aber damals steckten wir fest", erinnert sich Willson bei der Vorstellung der Preisträger in Tokio am Mittwoch. Um noch mehr zu schrumpfen, mussten die Strukturen kleiner als die Wellenlänge des Lichts werden.

Das Duo meisterte die Herausforderung durch die Entwicklung photochemisch verstärkter Fotolacke, die auch auf die schwachen Wellen von Quellen reagierten, die kürzere Wellenlängen erzeugen konnten. "Die grundlegenden Prinzipien werden noch heute in der Chip-Produktion verwendet", sagte Willson.

Doch Willson könnte einer der wenigen Wissenschaftler sein, der die Produktion einer Industrie zweimal revolutioniert, meinte sein Freund Fréchet nach der Laudatio: "Jetzt hat Grant eine neue Technik in petto, die die Tür in eine neue Dimension aufstößt."

Für die Chipindustrie könnte Willsons jüngste Idee einer Technik den Todesstoß versetzen, die die Branche mit Milliardeninvestitionen zu verwirklichen versucht: die Halbleiter-Belichtung mit extrem ultravioletter Strahlung (EUV). Die Technik habe sich seit 20 Jahren immer wieder verzögert und werde nie funktionieren, unkte Willson.

Er dagegen setzt auf eine Prägetechnik mit thermoplastischen Polymeren. Dazu werden Nanostrukturen in ein wasserähnliches Photopolymer übertragen, das durch die Kapillarkräfte augenblicklich zu einer Maske erhärtet. Darauf werden dann Picoliter-große Tröpfchen aufgebracht. Dies soll auch unter 20 Nanometern, den heute kleinsten Chiptechnik-Größen, noch saubere Strukturen liefern.

Vertrieben wird das System von der Venture-Firma Molecular Imprints. Intel und ein japanischer Hersteller, den Willson nicht nennen wollte, bei dem es sich aber wahrscheinlich um Toshiba handelt, nutzen die Technik schon, wenn auch noch in kleinem Maßstab.

Ich freue mich derweil auf die immer interessanten Preisträger der kommenden Jahre: 2014 geht es um die Rubriken "Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnik" sowie "Life Science", 2015 um "Ressourcen, Energie und Kraftwerke" sowie Medizin. 2016 sind dann wieder die Rubriken dieses Jahres dran. Wer Vorschläge zu den Feldern hat, kann sie gerne an die Japan-Preis-Stiftung in Tokio schicken, auf deren Homepage es Informationen zum Bewerbungs- und Auswahlverfahren gibt. (bsc)