Bitkom: "Liste netzpolitischer Fehlentscheidungen wird länger"

Vor der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags bezieht der deutsche IT-Spitzenverband Bitkom deutlich Stellung gegen das Leistungsschutzrecht und vergleicht es mit anderen Fehlschlägen.

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Erst Vorratsdatenspeicherung, dann Internetsperren, dann ACTA. Und jetzt die "Lex Google", die Presseverlagen einen besseren Schutz vor und mehr Einnahmen von Suchmaschinenbetreibern bringen soll. "Das Leistungsschutzrecht macht die jetzt schon lange Liste politischer Fehlentscheidungen noch länger“, sagte Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder am Mittwoch in Berlin, wo am Nachmittag der Rechtsausschuss des Bundestags über das geplante Leistungsschutzrecht berät. Der Bitkom reiht sich damit in die breite Phalanx der Kritiker dieses Gesetzesvorhabens ein.

Im Visier der Verlagslobby: Google News.

Vor dieser Anhörung betont der Verband der deutschen IT-Branche "die rechtlichen Gefahren" des Vorhabens. "Die Stellungnahmen mehrerer Sachverständiger bestätigen eindeutig, dass das Leistungsschutzrecht weder rechtlich noch ökonomisch notwendig ist“, meint Rohleder. "Mehrere Sachverständige haben bei dem Gesetzesvorhaben verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken." Der Gesetzgeber laufe Gefahr, dass das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht nachträglich wieder gekippt wird.

Damit würde sich das heftig umstrittene Gesetzesvorhaben in eine nicht ganz kurze Reihe netzpolitischer Fehlschläge einreihen, meint der Bitkom und verweist auf das von Karlsruhe gekippte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Auch die berüchtigten Internetsperren wurden nie umgesetzt, das Gesetz inzwischen aufgehoben. Auch das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, ursprünglich von Berlin unterstützt, wurde nach massiven Protesten der Öffentlichkeit begraben.

Der Verband kritisiert, dass zur Anhörung des Rechtsausschusses zwar Vertreter der Verlagsbranche eingeladen wurden, nicht aber die Unternehmen, die schließlich zahlen sollen. "Die Lex Google wird ohne Google beraten", fasst es der Medien-Blogger Stefan Niggemeier zusammen. Der Bitkom weist ergänzend darauf hin, dass auch die Netzöffentlichkeit nicht repräsentiert wird. "Ein Gesetz vorzubereiten und sie bei der Ausschussanhörung außen vor zu lassen, ist für eine pluralistische Demokratie ein bemerkenswerter Vorgang", meint Rohleder.

Das Leistungsschutzrecht ist nach intensivem Lobbying der Verlagsbranche auf den Weg gebracht worden. Die Betreiber gewerblicher Internetangebote wie Suchmaschinen oder News-Aggregatoren sollen für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) an die Verlage zahlen. Die jetzige Regierung hat das Vorhaben in ihrer Koalitionsvereinbarung vorgesehen. Ein erster, sehr weit gefasster Entwurf aus dem Bundesjustizministerium musste nach scharfer Kritik überarbeitet werden. Im Juli 2012 legte das Ministerium einen neuen Entwurf vor, der weitgehend auf Google zugeschnitten ist und seither den Beinamen "Lex Google" trägt.

Der Bitkom warnt nun dringend davor, die rechtlichen Bedenken und die Stimmen der vielen Kritiker einfach beiseite zu wischen. "Selbst wenn an diesem Vorhaben festgehalten werden soll, kann man die zahlreichen Bedenken nicht einfach ignorieren", sagte Rohleder. "Das Leistungsschutzrecht sollte auf keinen Fall mit Blick auf das nahende Ende der Legislaturperiode im Hauruck-Verfahren durchgepaukt werden." (vbr)