Henry Ford: "Andere Autos waren dreimal so teuer"

Er baute Autos für die Massen, zahlte fürstliche Löhne und hetzte gegen Juden - Hitler nannte ihn seine "Inspiration". Ein Gespräch mit Henry Ford.

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  • Jens Lubbadeh

Er baute Autos für die Massen, zahlte fürstliche Löhne und hetzte gegen Juden – Hitler nannte ihn seine "Inspiration". Ein Gespräch mit Henry Ford.

Henry Ford wird am 30. Juli 1863 nahe Detroit geboren. 1891 wird er Ingenieur bei der Edison Illuminating Company und baut sein erstes Auto, den Ford Quadricycle. 1903 erfolgt die Gründung der Henry Ford Motor Company. Fünf Jahre später bringt der Unternehmer das Model T auf den Markt. 1914 verdoppelt Ford den Tageslohn seiner Arbeiter auf fünf Dollar, trotzdem fällt der Preis des Model T bis 1916 auf 360 Dollar. Zwei Jahre später ist jeder zweite Wagen in den USA ein Ford Model T. 1918 kandidiert Ford auf Bitte des US-Präsidenten Woodrow auch für den US-Senat, verliert aber knapp. 1927 wird die Produktion des Model T eingestellt, bis dahin hat Ford 15 Millionen "Tin Lizzies" produziert. 45 Jahre wird dieser Rekord halten. 7. April 1947: Henry Ford stirbt in Dearborn, Michigan. Er wird in Detroit beigesetzt.

Technology Review: Mr. Ford, Sie sind ein schwieriger Fall...

Henry Ford: Wieso?

TR: Weil Sie in den Geschichtsbüchern einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen haben.

Ford: Für manche bin ich der geniale Autopionier. Für andere ein übler Antisemit.

TR: Und – sind Sie einer?

Ford: Der geniale Autopionier bin ich auf jeden Fall. Mit 15 baute ich meinen ersten Motor.

TR: Ich wollte eigentlich wissen, ob Sie ein Antisemit sind.

Ford: Was wollen Sie? Ich habe mich öffentlich für meine Taten und Aussagen entschuldigt.

TR: Aber nur auf Druck.

Ford: 1927 wurde ich verklagt, die Leute boykottierten meine Autos.

TR: Zu Recht. Jahrelang haben Sie in Ihrer Zeitung "Dearborn Independent" gegen Juden Stimmung gemacht.

Ford: Hören Sie, ich sagte doch bereits, dass ich mich öffentlich entschuldigt habe – sogar zweimal. Präsident Woodrow Wilson rügte mich zwar wegen meiner antisemitischen Schriften. Aber das war nur ein Schachzug. Er wollte meine politische Karriere verhindern.

TR: Vielleicht war ihm aber auch ein Dorn im Auge, dass Sie Hitler Anfang der zwanziger Jahre mit viel Geld finanzierten.

Ford: Damals ahnte doch keiner, dass Hitler einen Weltkrieg beginnen würde. Er war ein entschlossener Mann, seine Ideen gefielen mir.

TR: Hitler sagte einmal, dass Sie seine "Inspiration" seien.

Ford: Ich weiß, ich weiß. Mein Buch "Der internationale Jude" wurde von den Nazis gefeiert, manche Historiker glauben sogar, dass Hitler erst dadurch zum Antisemiten wurde. Aber ich bitte Sie, das ist doch absurd. Außerdem stehe ich zu meinem Buch, Hitler hat mich missverstanden. Können wir jetzt das Thema wechseln?

TR: 1938 verlieh Ihnen Hitler das Adlerschild des Deutschen Reiches.

Ford: Was glauben Sie, wie ich es bereue, dass ich einem Kriegshetzer geholfen habe, so mächtig zu werden! Ich habe Krieg immer verabscheut. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges unternahm ich mit der Pazifistin Rosika Schwimmer eine Schiffsreise nach Norwegen, um für das Ende des Krieges zu werben. Und ich war natürlich gegen den Zweiten Weltkrieg und dass die USA in den Krieg eintreten.

TR: Wechseln wir das Thema. Reden wir über Ihre Arbeiter und die Gewerkschaften.

Ford: Gewerkschaftsführer schüren Krisen, um ihre eigene Macht zu sichern. Innovation und Produktivität erzeugen von ganz allein neue Jobs. Gewerkschaften sind dabei nur Bremsklötze. Ich habe immer sehr gut bezahlt. Fünf Dollar hat ein Ford-Arbeiter am Tag bekommen. Das war fürstlich! Üblich waren 2,30 Dollar.

TR: Sie senkten außerdem die tägliche Arbeitszeit auf acht Stunden.

Und das, obwohl sich die US-Wirtschaft zu Ausbruch des Ersten Weltkrieges in einer Rezession befand. Ich wollte die besten Leute, und die bekommt man nur, wenn man mehr zahlt als die anderen. So blieben die qualifiziertesten Arbeiter bei Ford. Ihre langjährige Erfahrung war Gold wert. Nicht zuletzt deswegen konnte ich das Model T so günstig produzieren.

TR: Es gab aber noch einen anderen Grund, weswegen Sie so hohe Löhne zahlten...

Ford: Ich wollte, dass meine Arbeiter sich die Autos, die sie bauten, auch selber leisten konnten. Das war schließlich mein Geschäftsmodell: Autos für die Massen. Das Model T kostete 1916 nur noch 360 Dollar...

TR: ...das wären im Jahr 2012 etwa 8400 Dollar.

Ford: Andere Autos waren dreimal so teuer. Ein Ford-Arbeiter konnte sich innerhalb von nur drei Monaten ein Model T erarbeiten. Ich habe mal gesagt: Es ist nicht der Unternehmer, der die Löhne zahlt – er übergibt nur das Geld. Es ist das Produkt, das die Löhne zahlt.

TR: Ihre Arbeiter bauten sich ihre Autos also selbst.

Ford: Ganz genau. Wie in einem Ameisenbau: Alle zusammen lassen etwas entstehen, was ein Einzelner nicht vermocht hätte. Hohe Produktivität, hohe Löhne und niedrige Preise erzeugen hohe Nachfrage und hohen Konsum – und alle sind glücklich.

TR: Sie auch, weil Sie damit steinreich wurden.

Ford: Das klingt jetzt aber abschätzig. Ich habe das Model T immerhin entworfen. Mir ging es nicht ums Geld. Ich wollte Wohlstand für alle. Ich wollte ein Auto für das Volk bauen.

TR: Einen Volkswagen? Den wollte Hitler auch.

Ford: Die Idee hatte er von mir.

TR: Ihr Enkel wird übrigens 1948 versuchen Volkswagen zu kaufen.

Ford: Ob das so eine gute Idee ist...

TR: Der Deal wird nicht zustande kommen. Aber reden wir über Ihr legendäres Model T.

Ford: Mein Lebenswerk: Es war das erste Auto, das in Massenproduktion auf Fließbändern hergestellt wurde. 15 Millionen "Tin Lizzies" haben wir verkauft – Weltrekord!

TR: Erst Jahrzehnte später konnte der VW-Käfer diesen Rekord brechen.

Ford: Vielleicht hätten wir Volkswagen doch kaufen sollen... Sei's drum. Wir haben die Tin Lizzie knapp zwanzig Jahre lang gebaut und beherrschten zeitweise 55 Prozent des Automarktes.

TR: An dem Design wollten Sie jahrelang nichts ändern.

Ford: Nur so konnten wir den niedrigen Preis garantieren.

TR: Die Tin Lizzie gab es auch nur in einer Farbe: Schwarz.

Ford: Jetzt kommt bestimmt gleich wieder das unvermeidliche Zitat...

TR: "Die Kunden können einen Wagen in jeder Farbe haben – solange es Schwarz ist."

Ford: Schwarzer Lack trocknete schneller, und das senkte die Kosten. "Ein vernünftiges Auto soll seinen Besitzer überallhin transportieren – außer auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten." Auch das ist ein Zitat von mir.

TR: Zum Schluss möchte ich noch einen berühmten Satz von Ihnen bringen, den der kürzlich verstorbene Steve Jobs zitierte: "Hätte ich meine Kunden gefragt, was Sie wollen, hätten sie mir gesagt: ein schnelleres Pferd."

Ford: Ein guter Spruch, ich kann mich aber nicht erinnern, ihn gesagt zu haben.

TR: Jobs wird oft der Henry Ford der Computer-Industrie genannt.

Ford: Weswegen?

TR: Er hat Computer und Mobiltelefone zwar nicht erfunden, sie aber neu erfunden.

Ford: So wie ich es mit dem Auto getan habe.

TR: Wahrscheinlich wären Ihnen aber seine Produkte viel zu teuer.

Ford: Möglich. Sie wissen: hohe Löhne, niedrige Preise...

TR: ...hoher Konsum und alle sind glücklich. Mr. Ford, ich danke Ihnen für das Gespräch. (jlu)