Emissionshandel oder Steuer?

Der Kurs für Kohlendioxid-Zertifikate liegt im Koma. Wäre eine Steuer besser?

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Der Kurs für Kohlendioxid-Zertifikate liegt im Koma. Wäre eine Steuer besser?

Ich war bisher immer ein Freund des CO2-Handelssystems. Man muss es nur richtig umsetzen, glaubte ich, dann wird es auch funktionieren. Eigentlich glaube ich das noch immer. Doch langsam werde ich mürbe. Mein Glaube daran, dass die EU irgendwann noch einmal einen funktionierenden Emissions-Handel hinbekommt, strebt allmählich gegen Null, genauso wie der Preis für eine Tonne Kohlendioxid an der Leipziger Börse. 3,15 Euro kostete sie am Freitag nur noch.

Mit anderen Worten: Acht Jahre nach seiner Einführung ist das Instrument tot, irgendeine Lenkungswirkung hat es schon lange nicht mehr. Das hat Auswirkungen nicht nur auf Europa: Australien, Thailand, Vietnam, China, Indien, Mexiko und Taiwan verfolgen ebenfalls mehr oder minder konkrete Pläne, einen Emissionshandel aufzuziehen. Scheitert dieser in Europa, werden die anderen Staaten sich diesen Schritt noch einmal gut überlegen.

Ob der Handel hierzulande noch einmal reanimiert werden kann? Die EU-Kommission will zwar 900 Millionen Zertifikate zeitweise aus dem Markt nehmen, um den CO2-Preis zu stützen. Vor wenigen Tagen hatte der Industrieausschuss des EU-Parlaments allerdings gegen dieses sogenannte „Backloading“ votiert. Das ist zwar für die Entscheidung des EU-Parlaments nicht bindend. Aber es lässt erahnen, wie zäh künftig um jede Tonne CO2 gerungen werden wird. Bereits Mitte November ist die EU zudem mit dem Versuch gescheitert, den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubinden. Beides macht wenig Hoffnung darauf, dass Europa den komatösen Kohlendioxidhandel noch einmal auf die Füße bekommt.

Ironischerweise hätten sogar einige Energieversorger gerne höhere CO2-Preise. Nämlich diejenigen, die sich rechtzeitig auf eine CO2-arme Produktion eingestellt haben und sich nun einen Wettbewerbsvorteil durch teurere Zertifikate erhoffen. Den können sie nun wohl bis auf weiteres abschreiben.

Also doch lieber eine direkte Steuer auf Treibhausgase? Diese Lösung fand ich bisher immer wenig elegant: Beim Emissionshandel kann die EU eine Obergrenze festsetzen und stufenweise absenken; so kann sie gewiss sein, dass sie ihr Einsparungsziel auch erreicht. (Das gilt natürlich auch weiterhin, selbst bei einem Preis von drei Euro pro Tonne.) Bei einer Steuer hingegen kann die EU nur hoffen, dass diese auch die gewünschten Auswirkungen hat. Der Preis ist schließlich nur einer von vielen Einflussfaktoren auf den CO2-Ausstoß. Die Ökosteuer für Treibstoff beeinflusst die Verkehrsemissionen jedenfalls nur sehr mittelbar: Eine zehnprozentige Erhöhung des Spritpreises senkt die Anzahl der gefahrenen Kilometer nur um etwa zwei Prozent, wie das DIW Berlin berechnet hat.

Andererseits: Eine Steuer könnte – idealerweise – so bemessen werden, dass sie einen tatsächlichen Anreiz zum Sparen bietet, und die Innovationsfähigkeit der Industrie bestmöglich ausreizt. Hier versagt der CO2-Handel beim jetzigen Preisniveau völlig. Außerdem würde eine feste – oder möglicherweise auch progressiv ansteigende – Steuer den Unternehmen eine verlässlichere Planungsgrundlage bieten als ein schwankender Börsenpreis. Und sie würde sich nicht mit anderen Instrumenten wie der Einspeisevergütung ins Gehege kommen: Wenn große Mengen CO2-frei hergestellter Strom auf den Markt drängen, reduzieren sie den Börsenpreis für CO2-Zertifikate und damit auch den Anreiz für weitere Einsparungen. Steuern würden von diesem Effekt nicht beeinflusst.

Doch ob eine Steuer politisch einfacher durchzusetzen wäre als eine Reform des Emissionshandels? Ich weiß es nicht. Zu irgendeiner Lösung werden sich EU und Mitgliedsländer jedenfalls durchringen müssen. (grh)