Windräder für Liebhaber

Hersteller kleiner Rotoranlagen versprechen Privatleuten die Windfarm direkt vor der Haustür. Wie sinnvoll ist die Technik?

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Von
  • Jens Lubbadeh

Hersteller kleiner Rotoranlagen versprechen Privatleuten die Windfarm direkt vor der Haustür. Wie sinnvoll ist die Technik?

Wenn Mathis Buddeke durch Berlin marschiert, geht sein Blick an fünf Orten in der Hauptstadt stolz nach oben. Einer davon ist das Heizkraftwerk Charlottenburg, zwei Spreebögen vom Schloss des Bundespräsidenten entfernt. Früher versorgte es den Bezirk mit Strom und Wärme. Nun dreht sich auf ihm ein kleines Windrad. Aufgestellt hat es Buddeke gemeinsam mit seinem Kollegen Jochen Twele von der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Die beiden wollen untersuchen, ob diese sogenannten Kleinwindenergieanlagen (KWEA) künftig auch in Städten stehen könnten. Denn Wind weht überall, ob über der Nordsee, der Lüneburger Heide oder dem Ku'damm.

Laut dem Bundesverband Kleinwindanlagen wächst das Interesse an den KWEAs stetig. "Die Nachfrage beim Endverbraucher ist sehr groß", sagt Paul Kühn vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES. Aber: "Auf dem Markt gibt es eine unübersehbare Vielzahl von Modellen, die Windbedingungen in geringen Höhen sind oft schlecht, und außerdem gibt es hohe bürokratische Hürden", so Kühn.

Zuallererst sollte man sich klarmachen: Kleinwindräder sind nicht Solarpaneele. Die Preise der Anlagen liegen mit 3000 bis 5000 Euro pro installiertem Kilowatt deutlich höher – Installation und Gutachten nicht inklusive. Viel größer als bei der Photovoltaik sei zudem die Gefahr, sich bei der Ertragsrechnung kräftig zu verkalkulieren. Den die für die Kalkulation entscheidende Wahl des richtigen Windrad-Standorts ist äußerst kompliziert. Es gibt schlicht keine Windkarten für unterschiedliche Höhen. "Für eine Ertragsabschätzung muss man daher die Windgeschwindigkeiten an seinem Standort selber messen, mindestens ein Jahr lang", mahnt Kühn. Leichter gesagt als getan. Anlaufstellen für Windmessungen gibt es kaum, Windgutachten sind teuer, meist muss der Kunde sich selbst eine Messanlage mieten oder kaufen.

Ein Solarpaneel auf dem Hausdach mag wirtschaftlich sein, "ein Kleinwindrad auf dem Einfamilienhaus ist es meist nicht", dämpft Kühn die Erwartungen. "Die Stromgestehungskosten liegen oft über 30 Cent." Zum Vergleich: Klein-Solaranlagen erzeugen Strom für 13 bis 20 Cent die Kilowattstunde. Und die Einspeisevergütung für Solarstrom ist doppelt so hoch wie die neun Cent, die der Gesetzgeber für Strom aus Windrädern an Land zahlt.

Wie schlecht es um die Wirtschaftlichkeit von Kleinwindrädern auf Hausdächern bestellt ist, zeigte ein Langzeittest in Großbritannien. Die Wissenschaftler hatten zwei Jahre lang die Daten von 26 Dach-Kleinwindanlagen mit einer Nennleistung von bis zu zwei Kilowatt gesammelt und ausgewertet. Das beste System erreichte im Jahr einen Ertrag von 869 Kilowattstunden – das ist gerade einmal die Hälfte des Bedarfs eines Single-Haushalts. Die schlechteste der überwachten britischen Dachwindanlagen erzeugte sogar nur 15 Kilowattstunden, das war weniger als ihr eigener Energiebedarf zum Betrieb der Turbinenelektronik.

Standorte auf Hochhäusern können aufgrund des dort herrschenden stärkeren Windes dennoch lukrativ – und für öffentliche Gebäude und Trägerschaften von Hochhaus-Komplexen eine sinnvolle Option sein. Welches Potenzial dort verborgen liegt, soll das auf drei Jahre angelegte Projekt von Mathis Buddeke und Jochen Twele zeigen. Seit 2010 haben sie fünf Kleinanlagen auf Berliner Dächer gestellt – die niedrigste auf ein Dach in 18 Metern Höhe, die höchste 70 Meter über dem Boden auf dem Kraftwerk Charlottenburg. Die Forscher wollen zunächst herausfinden, an welchen Orten in der Stadt Windräder am besten aufgestellt werden sollten. "Im Gegensatz zu Freiflächen auf dem Land sind die Winde in der Stadt viel turbulenter", sagt Buddeke.

Schwer berechenbare Windverhältnisse sind aber nur eines der Hindernisse. Darüber hinaus "muss ein Bauherr garantieren, dass die Statik stimmt, das Dach die Anlage tragen kann und die Anlage auch starke Windgeschwindigkeiten aushält und nicht wegfliegt", so Kühn. Das führt zum nächsten Problem: Es gibt keine einheitliche Zertifizierung der Kleinanlagen – weder bei der Leistung noch bei der Sicherheit.

Im föderalistischen Deutschland ist die Baugenehmigung für die noch jungen Anlagen Ländersache. Je nach Aufstellhöhe, Aufstellort und Größe greifen unterschiedliche Vorschriften. Man hat es also nicht nur mit Unterschieden auf Länderebene zu tun, sondern teilweise auch noch mit unterschiedlichen Bauämtern. "Eine Baugenehmigung zu bekommen kann bis zu einem Jahr dauern", sagt Paul Kühn. Gemeinsam mit Kollegen vom IWES will er nun untersuchen, unter welchen Windbedingungen und auf welchen Flächen welche Anlagen sinnvoll sind.

Eine Empfehlung für technikfreudige Grundstücksbesitzer hat er aber schon jetzt: Windräder nicht auf dem Dach, sondern auf Freiflächen aufstellen, einen genügend hohen Mast errichten – und vorher vermessen, ob am Standort wirklich genügend Wind weht. "Kleine Windräder haben Potenzial", ist Kühn überzeugt. "Man muss nur wissen wo."


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