Deutsch-asiatische Nanokooperation

Wenn Deutschland in der Forschung an der Spitze bleiben will, müssen die Forscher nach Fernost kommen. Dies zeigt Asiens Leitmesse für Nanotechnologie in Tokio zum wiederholten Mal.

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Von
  • Martin Kölling

Wenn Deutschland in der Forschung an der Spitze bleiben will, müssen die Forscher nach Fernost kommen. Dies zeigt Asiens Leitmesse für Nanotechnologie in Tokio zum wiederholten Mal.

Der Besuch der Nanotech ist immer wieder ein besonderes Erlebnis für mich. Denn über die Jahre konnte ich verfolgen, wie auf der Messe Anwendungen eine immer größere Rolle spielen. Auch vorige Woche gab es wieder ein bisschen mehr an Ideen zu sehen. Mein traditionell erster Kontaktpunkt, der eigentlich im Textbereich agierende Hersteller Gunze, zeigte neue kratzfeste Schutzfilme für Displays. Fujifilm stellte einen flexiblen Dünnfilm vor, der dank piezoelektrischer Elemente auch als Lautsprecher dient. Die japanische Forschungsagentur Nedo zeigte neue Techniken, die seltene Erden ersetzen können oder ihren Einsatz reduzieren. Und dazwischen stand auch jede Menge Technik aus Deutschland.

Tatsächlich gibt es wenige Messen in Japan, auf denen deutsche Unternehmen so prominent vertreten sind wie auf der Nanotech. Der Grund ist simpel: "Wir müssen uns hier zeigen, weil hier die Märkte und unsere Partner sind", sagt Carsten Glanz vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung. Erstens wurden Kohlenstoffnanoröhrchen (CNTs), mit denen der Nanotrend begann, anfangs in Japan entwickelt. Zweitens sitzt ein Großteil der Technikunternehmen, für die Nanotechnologie interessant ist, in Fernost – die Konsumelektronikhersteller zum Beispiel, aber auch Maschinen- und Anlagenbauer.

Der ganze Stolz der Wissenschaftler auf dem Fraunhofer-Stand ist eine Pipette mit einem Aktuator aus Kohlenstoffnanoröhrchen, mit dem Forscher minimale Mengen an Flüssigkeit aufnehmen können. "Endlich mal eine Anwendung für Nanotechnologie", sagt Glanz – gemeinsam entwickelt mit einem japanischen Partner. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Gleich am Glaskasten daneben steht Michael Popall, Leiter International beim Fraunhofer-Institut für Silikatforschung. Popall ist schon seit Jahren mit seinem Werkstoff Ormocer in Japan vertreten, einem anorganisch-organischen Hybridpolymer. Eine Anwendung sind Minilinsen direkt auf dem Wafer, die den Bau kleiner Kameras erlauben. Popalls Institut allein hat etwa 20 deutsch-japanische Kooperationen pro Jahr und sichert damit den Knowhow-Standort Deutschland ab. Denn die ostasiatischen Kunden tragen die Entwicklungskosten für Hightech in Deutschland mit.

Popall weist auf einen neuen Trend hin: die Südkoreaner kommen. "Sehen Sie mal den großen Stand der Koreaner, der quasi aus dem Nichts aufgetaucht ist", sagt Popall. Japan sei zwar noch immer führend in der Materialforschung und bei Anwendungen. "Aber es sind andere Player hinzugekommen", so Popall. "Der Bär tobt in Südkorea, die Japaner schlafen ein bisschen." KH Chemicals ist so ein Beispiel eines agilen koreanischen Emporkömmlings. Die Firma nimmt für sich in Anspruch, als erste weltweit Single-Wall-CNTs in Masse herstellen zu können. Die werden bisher nicht verwendet. Ihr Vorteil: Sie sind potenter als herkömmliche Multi-Walled-CNTs. Schon die Zugabe von Prozentbruchteilen reicht, um ähnliche Effekte wie mit ihren mehrwandigen Rivalen zu erzeugen. Aber zum einen sind sie schwerer herzustellen und zweitens um ein vielfaches teurer. Bayer, einer der größten CNT-Produzenten weltweit, lässt daher die Finger davon. Die Nischenproduktion ist nicht die Sache des Massenherstellers.

Aber auch die Chinesen scharren schon mit den Hufen. So investiert die dortige Regierung massiv in die Forschung. Aber auch die Produktion von CNTs könnte in China aufblühen, meint Anastasios Skendros, Verkaufsmanager des griechischen CNT-Herstellers Onex Global Nanotechnologies. Für eine Investition von ein paar Millionen Euro könne man eine Fabrikation und einen Vertrieb aufbauen. Er hält es daher nur für eine Frage der Zeit, bis chinesischen Firmen aufspringen und versuchen, mit Dumpingpreisen den Markt zu übernehmen.

Die gute Nachricht: Nanotechnologie ist einer der Bereiche, der zu einer Stärkung des deutschen Mittelstands und des Produktionsstandorts Deutschland führen könnte. Dies meint wenigstens Ulf Köpke, Forschungsleiter der Firma Exakt, die Dreiwalzwerke verkauft, die auch in der Herstellung von CNTs verwendet werden. Der Grund ist der Trend zur Compoundierung, sagt er, also neuen Werkstoffen, die sich aus mehreren Materialien zusammensetzen. Diese Materialien müssten jedes für sich einzeln angepasst werden. Da dies zu viel Aufwand für Großkonzerne ist, eröffnen sich viele Nischen für Mittelständler. Sie beziehen die Rohstoffe von Großkonzernen, die sie in Masse herstellen und entwickeln dann mit anderen Großkonzernen zielgerichtet Materialien. Und Deutschland mit seiner Tradition des Mittelstands ist für ihn einer der Favoriten, die auf dieser Welle reiten könnten. (bsc)