Weiter Streit um US-Aufsicht über die Internet-Verwaltung

Wenige Monate vor Ablauf des ICANN-Vertrages mit der US-Regierung tobt die Debatte um eine eventuelle Verlängerung und mögliche Alternativen weiter. US-Abgeordnete wollen ICANN nicht aus der Kontrolle der Regierung entlassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 39 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die mögliche Verlängerung des Vertrages zwischen der US-Regierung und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) sorgt erneut für Diskussionen über Alternativen zur Einheits-Rootzone im Domain Name System (DNS). In der vergangenen Nacht endete die Konsultation des US-Handelsministeriums zur Zukunft der ICANN, deren Vertrag mit der US-Regierung Ende September ausläuft. Während ICANN die US-Regierung beschwört, das Modell der privaten Selbstverwaltung endlich abschließend anzuerkennen, pochten US-amerikanische Politiker und Wirtschaftsvertreter bei einer Anhörung im US-Kongress in der vergangenen Woche dafür, die US-Aufsicht nicht aufzugeben.

Jede noch so kurzfristige Verlängerung des Joint Project Agreement (JPA) – so der offizielle Titel des Vertrags – werde andere Regierungen veranlassen, nach Alternativen Ausschau zu halten, warnte der scheidende ICANN-Chef Paul Twomey. In der einer schriftlichen Stellungnahme unterstreicht ICANN nochmals die Gefahr einer Erosion des Vertrauens in das Modell der Internet-Verwaltung. ICANN wolle auch keineswegs "unabhängig werden", heißt es da. Die US-Regierung werde vielmehr weiterhin durch den Vertrag über den Betrieb der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) ihre Aufsichtsrolle wahrnehmen können. In IANA sind die technischen Kernaufgaben der DNS-Verwaltung verankert, allen voran der Betrieb der Rootzone. "Wenn das JPA ausläuft, ändert sich gar nichts", versuchte Twomey den kritischen US-Politikern das Szenario schmackhaft zu machen.

Die hielten bei der Anhörung allerdings kräftig dagegen und erklärten die ICANN-Aufsicht zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit, mindestens aber US-amerikanischer Wirtschaftsinteressen. Republikaner und Demokraten im Unterausschuss für Kommunikationstechnologie bestätigten sich gegenseitig darin, dass die "USA das Internet geschaffen" haben, die Aufgabe der Aufsichtsrolle käme nicht in Frage. Die Abgeordneten sprachen sich dafür aus, das JPA zu verlängern. Sie könnten ihre Auffassung mittels eines Gesetzes durchsetzen, das das Handelsministerium zur Verlängerung des Vertrags verpflichtet. Anfang April wurde im Senat bereits ein Entwurf für ein Cybersecurity-Gesetz vorgelegt, das der US-Regierung weitgehenden Einfluss über das DNS einräumen will.

Experten außerhalb den USA warnten angesichts der Entwicklung lautstark vor einem Zerfall der Rootzone. Wolfgang Kleinwächter, Experte für Netzverwaltung, schrieb ans Handelsministerium, die Verlängerung der Aufsicht berge die Gefahr alternativer Namens- und Nummerierungssysteme. Andere Interessengruppen bereiten eher still den möglichen Aufstand vor. Eine französische Initiative wirbt seit einiger Zeit für "konkurrierende Arrangements für Dienste im Namensraum". Andere Initiativen, die sich auf die Zulassung neuer TLDs vorbereiten, denken ebenfalls sehr konkret darüber nach, ihre Zonen testweise über eigene Server und Partner-Provider rooten zu lassen. Auch gegenüber der Einführung neuer TLDs hatten sich die US-Politiker äußerst skeptisch gezeigt. Diese brächten vor allem mehr Möglichkeiten, Nutzer zu betrügen, musste sich Twomey sagen und gleich noch fragen lassen, wie er seine 800.000 australischen Dollar Gehalt verdiene. (Monika Ermert) / (vbr)