4W

Was war. Was wird.

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein ... Die amerikanische Regierung jedenfalls nimmt sich die Freiheit, per Drohnenangriff zu töten - auch Amerikaner.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Was war.

*** Drohnen, frische Drohnen, schöne schlanke Drohnen! Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Wer will sie kaufen, wer will sie bauen, will sie verdammen oder nur nüchtern betrachten? Die eigentliche Sensation dieser Woche wurde in den USA publik, ein Memorandum zum Drohnen-Kampf mit der Gummi-Lizenz zum Töten. Kein Amerikaner sollte wissen, wann sich seine Regierung dazu berechtigt (PDF-Datei) fühlt, ihn zu töten. Wie ungemein praktisch ist es doch, dass Friedensnobelpreisträger Obama nun John Brennan zur Seite hat, die ganz persönliche Kampfdrohne, immer bereit, Folter und Tötungen zu rechtfertigen.

*** Wenn ein verdächtiger Landsmann, eine verdächtige Landsfrau nicht verhaftet werden kann, aber ein Angriff auf amerikanische Interessen denkbar ist, so ist es völlig OK, eine Drohne zu schicken, die das mehr oder weniger sauber erledigt. Wie hübsch, dass mit der Veröffentlichung der Gummi-Lizenz herauskommt, wie eng US-Medien mit dem Geheimdienst zusammenarbeiten. Da wird eine Drohnenbasis in Saudi-Arabien nicht erwähnt, um besagten amerikanischen Interessen nicht zu schaden, und hinterher gibt es großes Geblöke, wie toll man doch geschwiegen hat und wie man nun leider gezwungen ist, die Wahrheit zu sagen. Schafe blicken auf, ganz erstaunt.

*** Im Jahre 1991 veröffentlichte der spanische Wissenschaftler Manuel De Landa ein Buch, das unter dem Eindruck des ersten Golfkriegs geschrieben wurde. In seinem "War in the Age of Intelligent Machines" geht Landa davon aus, dass es in künftigen Kriegen zwei Typen computergesteuerter Systeme geben wird: "pandämonische" Systeme, die mit Kameras, Drohnen und Künstlicher Intelligenz die Entwicklung vorausberechnen und "phylische" Systeme, die zerstören, was gegen die Interessen der Macht steht. Beide Systeme bedingten einander, denn ohne gute Aufklärung kein chirurgischer Schnitt. Und beide werden nach Landa autonome Flugkörper einsetzen, heute Drohnen genannt.

*** Es gehört zu den Verdiensten von Wikileaks, dass inmitten der diplomatischen Depeschen der USA Dokumente aus dem Jemen veröffentlicht wurden, die darauf hindeuten, dass amerikanische Angreifer mit ihren Bomben und Drohnen, nicht jemenitische Flieger Angriffe gegen Flüchtlingslager im Jemen flogen, in denen Al Quaida-Kämpfer vermutet wurden. Es hat auch seine Berechtigung, wenn Assange in einer US-amerikanischen Talkshow betont, dass es Initiativen wie Wikileaks braucht, wenn eine Regierung sich ausschweigt über ihre selbstgemachten Gesetze und Lizenzen. Ob aber wirklich das in einem obskuren Personenkult abdriftende Wikileaks-Volk geeignet ist, darf bezweifelt werden. Geführt von einem Assange, der bei seinem deutschen Auftritt eben mal das Publikum mit einer Lesung aus seinem Buch abspeist und verfügt, dass diese Lesung nicht kopiert werden darf. Der in Schweden verhört und möglicherweise verhaftet werden soll, aber das Land abkanzelt, weil es nicht entnazifiziert wurde. Der diese Woche etwas verbrämt zugegeben hat, dass Wikileaks einen jungen Hacker bei der Polizei wegen Betrugs angezeigt hat: All das spricht gegen das real existierende Wikileaks, das nur noch ein Schatten alter Tage ist. Do not fear your potential, das ist lange her.

*** Viele Leser wissen, welche enorme Rolle "2001, Odyssee im Weltraum" für diese kleine Wochenschau spielt. Im "Logbuch der Kapitäne Clarke und Kubrick" zu diesem Film finden sich etliche Überlegungen zum summenden Gebilde der außerirdischen Besucher, das die Affen auf den Gedanken bringen sollte, sich mit einem Knochen zu bewaffnen. Arthur Clarke dachte an einen Tetraeder, Kubrick an ein geodätisches Gebilde als Hommage an Buckminster Fuller. Es war dann Stuart Freeborn, der sich für den pechschwarzen Monolithen stark machte. Freeborn wirkte am Filmset als Maskenbildner der Affen mit, den leicht verhuschten, hungernden Nachfahren der Urratte. Nun ist Stuart Freeborn gestorben, der mit dem Wookie Chewbacca und den Ewoks weitere haarige Wesen schuf und mit Yoda angeblich eine Parodie auf Einstein. Eine weitere tiefe Verbeugung ist zum Abschied von John Karlin fällig, dem ausgebildeten Violinisten, der als Designer des Tastentelefons in die Ewigkeit eingeht. Ihm verdanken wir das 1-2-3 4-5-6 7-8-9 und die 0 als Aufteilung, die optimal vom menschlichen Gedächtnis unterstützt wird. Der Erfinder des Tastentelefons hatte sich darüber weniger Gedanken gemacht.

Was wird.

Seit gestern hat die Bundesrepublik eine neue Bildungsministerin, nachdem die entpromovierte Anette Schavan das berüchtigte vergiftete volle Vertrauen von Bundeskanzlerin Merkel ereilte. Und dann war da noch das Internet: "In diesem System führt die unerwartete tatsächliche Lektüre zur Katastrophe. Das Interessante daran ist, dass das, was man tatsächliche Lektüre nennt, angesichts der ungeheuerlichen Lawine der akademischen Textproduktion gar nicht mehr stattfinden kann. Heutzutage sind nur noch digitale Lesegeräte und spezialisierte Suchprogramme in der Lage, als Vertreter des ursprünglichen Lesers mit einem Text ins Gespräch oder ins Nicht-Gespräch zu treten. Der menschliche Leser - nennen wir ihn Professor - schwindet im Gegenzug. Und dies exakt auch insofern, als der Akademiker wie der Experte seit langem dazu verdammt ist, eher Nicht-Leser als Leser zu sein." Diese Übersetzung der Gedanken des Philosophen Peter Sloterdijk aus der französischen Le Monde habe ich ganz schamlos vom wunderbaren Perlentaucher übernommen.

Damit ist das eigentlich wichtige Thema hinter dem Plagiat angesprochen. Die Mathematikerin Johanna Wanka hat promoviert, als Professorin gearbeitet und ist schließlich Bildungsministerin in zwei Bundesländern gewesen. Die "Neue" im Kabinett soll neuen Lerntechnologien offen gegenüberstehen. Ob damit auch eine Öffnung der wissenschaftlichen Arbeiten verbunden ist, bleibt abzuwarten. Nach dem verfahrenen Lizenzstreit über Open Data ist so die Chance vorhanden, dass aus dem Bildungsbereich ein Impuls kommt, das überbordende Verwaltungsdenken abzubauen. Bekanntlich ist das Wissenschaftsjahr 2013 der demografischen Chance gewidmet: Die Chance, dass im Rahmen der Lehre veröffentlichte akademische Texte frei flottieren können, wird nicht nur bei uns diskutiert.

Das traurige Beispiel ist das Leben und Sterben des Idealisten Aaron Swartz, das viele Fragen stellt. Der Musiker David Byrne hat sich sehr nachdenklich gefragt, ob ziviler Ungehorsam nicht auch bedeutet, dass man für seine Ideen ins Gefängnis gehen muss, um damit die Maßlosigkeit der Strafverfolger zu enttarnen. Nun sollen Vertreter der Justiz vor einem Untersuchungsausschuss aussagen. Wird er damit zum Märtyrer der Bewegung?

Zu einem Martyrium der besonderen deutschen Güteklasse gehört die Ausrottung des Suhrkamp-Verlages und damit die Einebnung der typisch deutschen Suhrkamp-Kultur durch einen Adventure-Kapitalisten. Das Drama ist vielfach beschrieben, die Wahrheit wird immer noch gesucht. Das tolle Stück bewegt sich am kommenden Mittwoch in Frankfurt/M auf seinen Höhepunkt zu, es sei denn, es sei denn, ein weißer Ritter erscheint auf der Szene in vollem Harnisch, bereit, die deutsche Kultur zu retten. Günther Jauch oder Stefan Raab, das ist die Frage. (jo)