Amazon setzt auf den Spielgeld-Effekt

Die Einführung von Amazon Coins soll die Verbraucher ermuntern, noch mehr Geld im Appstore des Online-Händlers zu lassen. Funktioniert das, dürfte Amazon seine virtuelle Währung wohl auch auf den Kauf von Musik, Filmen und E-Books ausdehnen.

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Von
  • Rachel Metz

Die Einführung von Amazon Coins soll die Verbraucher ermuntern, noch mehr Geld im Appstore des Online-Händlers zu lassen. Funktioniert das, dürfte Amazon seine virtuelle Währung wohl auch auf den Kauf von Musik, Filmen und E-Books ausdehnen.

Die Suche nach einer digitalen Währung der Zukunft ist in vollem Gange. Bitcoin hat den ersten Hype bereits hinter sich, während verschiedene Start-ups Konzepte entwickeln, das Bezahlen im Internet-Zeitalter reibungsloser zu machen. Nun mischt auch Amazon mit: Der Online-Händler Nr. 1 hat vor einigen Tagen eine hübsche goldglänzende Währung mit dem schlichten Namen "Amazon Coins" vorgestellt. Ein Amazon Coin hat dabei einen Gegenwert von einem US-Cent.

Ab Mai können Nutzer des Tablet-Computers Kindle Fire damit im Amazon Appstore Apps, Spiele und Gegenstände in Anwendungen – etwa Währungen von Online-Spielen – bezahlen. Von jeder in Amazon Coins bezahlten Rechnung wird der Online-Händler 30 Prozent Provision einbehalten - genau so, wie er es bisher mit Erlösen aus Apps hält. Irgendwann dürften Kunden wohl auch E-Books, Musik und Filme mit den virtuellen Münzen erwerben können.

In Online-Spielwelten sind virtuelle Währungen schon lange gang und gäbe. Nach Berechnungen von Javelin Strategy & Research wurden mit diesen 2012 Geschäfte im Gegenwert von 3,7 Milliarden Dollar gemacht.

Amazon wiederum verspricht sich von seinen Coins mehr Umsatz im Appstore. Um die Nutzer zu locken, will das Unternehmen aus Seattle virtuelle Münzen im Wert von "einigen zehn Millionen Dollar" unters Volk bringen, wenn auch nur in den USA. Amazon-Kunden können aber auch über ihr Nutzerkonto Coins eintauschen.

Edward Castronova von der Indiana University glaubt nicht, dass das Amazon-Coins-System auf virtuelle Waren beschränkt bleibt. "Diese Eingrenzung ist nur eine vorläufige Entscheidung", sagt der Ökonom, der seit Jahren Online-Welten und -Währungen untersucht. "Wenn sie das innerhalb von Amazon machen, haben sie die Technologie und die Funktionalität, es auf alles auszudehnen."

Er vermutet, dass Amazon seine Kunden auch zu einem beherzteren Geldausgeben ermuntern will. Menschen würden eine "eigenartige Rationalität" an den Tag legen, wenn es um virtuelle Währungen, hat Castronova beobachtet. Sie hielten Ausgaben in solchen Währungen für sicherer als in "realen" Währungen, würden sie gewissermaßen wie Spielgeld behandeln.

Amazon Coins auch außerhalb der Sphäre von Apps, Spielen und digitalen Produkten zu etablieren, ist allerdings nicht ganz so einfach, wie man denken könnte. Online-Spielebetreiber zum Beispiel werden nach den Umsätzen besteuert, die sie beim Eintauschen von echten Dollars in ihre virtuellen Währungen machen. Transaktionen innerhalb der Spielewelten, etwa der Kauf von virtuellen Waffen, sind jedoch steuerfrei. Sollten Amazon Coins ein Erfolg werden, könnten Gesetzgeber versucht sein, die bisherige Rechtslage zu ändern, so Castronova.

Die Tatsache, dass ein großer Internet-Konzern seine eigene Währung herausgibt, garantiert einen Erfolg jedoch nicht. Facebook führte 2009 die "Credits" ein. Mit denen konnten Nutzer innerhalb von Facebook-Spielen virtuelle Dinge kaufen. Die Resonanz war so mager, dass das größte soziale Netzwerk der Welt vor einem halben Jahr ankündigte, die Credits aufzugeben und durch echte Währungen zu ersetzen.

Auch Colin Gillis, Analyst bei BGC Financial, ist überzeugt, dass Amazon mit seinen Coins Größeres vorhat. Er geht davon aus, dass die Amazon-Währung aber eher bei Downloads von Musik und Medienprodukten zum Zuge kommen wird. Ebenso wie Castronova sieht auch Gillis die Coins zuerst als Marketing-Strategie, um den Konsum im Amazon Appstore anzukurbeln. Eine Amazon-Sprecherin wollte sich nicht dazu äußern, ob die virtuelle Währung in absehbarer Zeit auch auf andere Online-Käufe ausgedehnt wird.

(nbo)