Porno-CEO fordert mehr Jugendschutz im Netz

Der Chef von Vivid Entertainment fordert von der Internetbranche verstärktes Engagement beim Jugendschutz. Auf dem Campus der traditionsreichen Elite-Uni Yale will er im Rahmen der "Sex-Woche" Google und Yahoo in die Pflicht nehmen.

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Es ist wieder Sex-Woche in Yale. Auf dem Campus der ehrwürdigen US-Bildungsanstalt und traditionsreichen Kaderschmiede dreht sich eine Woche alles um "Liebe, Sex, Intimität und Beziehungen". Die Ostküsten-Elite macht sich locker und lässt sich aufklären, unter anderem von der nimmermüden Ruth Westheimer. Die verschiedenen Veranstaltungen reichen von Comedy-Acts über Podiumsdiskussionen bis zu einer großen Abschlussparty am Sonntag.

Doch das Ganze fände nicht in Yale statt, wenn es nicht einem erzieherischen Gedanken folgen würde. Es gehe darum, das Bewusstsein der Studenten für Sex, Sicherheit und moralische Gesichtspunkte zu schärfen, erläutert der Organisator der seit 2002 im Zweijahresrhythmus stattfindenden Veranstaltung. Er ist 21 und studiert in Yale Wirtschaftswissenschaften. Dazu gibt es Möglichkeiten für die Sponsoren, sich zu präsentieren. Das sieht dann so aus: Patty Brisben, Gründerin des Sextoy-Herstellers Pure Romance, erklärt "alles was du schon immer über Sex wissen wolltest" und verschenkt anschließend Spielzeug.

Da darf auch Steven Hirsch von Vivid nicht fehlen. Der Chef des nach eigenen Angaben größten Pornofilmstudios der Welt ist derzeit in politischer Mission unterwegs. Für den Hormonhaushalt des jungen Publikums (zumindest des männlichen Teils) hat er dennoch ein paar "Vivid-Girls" – so was wie die Supermodels unter den Pornostars – im Schlepptau. Eine der Damen tritt zusammen mit der lebenden Legende Ron Jeremy bei einer Podiumsdiskussion am heutigen Freitagabend ("The Great Porn Debate") an. Morgen vermitteln die Vivid-Girls zusammen mit Regieveteran Paul Thomas tiefe Einblicke in die Funktion der "Story in Pornofilmen: Sex und Kontext". Ein Seminar mit Filmvorführung.

Hirsch selbst wird am morgigen Samstag darüber referieren, wie er den Porno aus der Schmuddelecke in den US-Mainstream gebracht hat. Doch in Yale nutzt er das Forum und die gesteigerte Aufmerksamkeit, um auch für den Jugendschutz ins Feld zu ziehen. Dafür will er die Internetbranche in die Pflicht genommen wissen. Google, Yahoo und die anderen Großen sollten "stärkere Barrieren errichten", die Kinder von den Pornos fernhalten, lässt das Unternehmen vorab per Pressemitteilung verbreiten. "Verantwortungsvolle Unternehmen der Branche wie das unsere haben viel dafür getan, dass Minderjährige vom Zugang zu Erwachsenenunterhaltung ausgeschlossen werden", sagt Hirsch. "Keine der Suchmaschinen und Portalanbieter, insbesondere Yahoo und Google, haben signifikante Schritte in diese Richtung unternommen." Die Gescholtenen verweisen auf ihre verstärkten Bemühungen um den Jugendschutz.

Der Pornokönig folgt damit einer Strategie, die auch von der instinktorientierten Industrie hierzulande gerne genutzt wird. Mehr Jugendschutz, so rechnet die Branche, bedeutet weniger Gratisporno im Netz. Denn die Entwicklung der Technik, die gerade auch die Pornobranche massiv vorangetrieben hat, bedroht jetzt deren Existenz. Streamings und Filmdownloads sind dank fortgeschrittener Encodierungsverfahren und hoher Bandbreiten möglich. Releasecrews sorgen dafür, dass der massive Output der Pornoproduktion in den Filesharing-Netzen landet. Lange hat die Branche dem bunten Treiben im Netz zugeschaut. Jetzt gehen Vivid und andere verschärft gegen die Gratiskonkurrenz vor.

Gegenwind oder Kritik wird Hirsch in Yale nicht viel zu erwarten haben. Die Branche ist unter sich und kann sich ganz der Hochglanz-Selbstdarstellung widmen. Einzig von den "Porno-Pastoren" Craig Gross und Donny Pauling dürften bei der großen Pornodebatte (das Fernsehen ist dabei) Widerworte kommen. Kritiker wie die Soziologin und Feministin Gail Dines sehen in der Yale-Veranstaltung vor allem eine PR-Aktion für eine Branche, die dort ein sauberes Mainstream-Image pflegt, das nicht der Realität entspreche.

Ansatzweise so etwas wie eine Debatte zieht sich durch die Meinungsartikel der Yale Daily News. Dort kommt auch der Organisator wieder zu Wort: Pornostars und Vibratoren sollen provozieren, für einen regen Zulauf der Veranstaltung sorgen – und für Diskussionen. Die müssen dann allerdings die Studenten in die Veranstaltungen tragen. Wenn der Elitenachwuchs rechtzeitig die Autogramme aller Vivid-Girls zusammen hat, bleibt dafür ja vielleicht noch Zeit. (vbr)