"Die Transparenz von Glas hängt mit dessen elektronischen Eigenschaften zusammen"

Der Photovoltaik-Experte Bernd Rech spricht im TR-Interview über die interessanten Eigenschaften von Siliziumdioxid.

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Von
  • Udo Flohr

Der Photovoltaik-Experte Bernd Rech spricht im TR-Interview über die interessanten Eigenschaften von Siliziumdioxid.

Rech leitet das Institut für Silizium-Photovoltaik des Helmholtz-Zentrums in Berlin-Adlershof.

Technology Review: Herr Professor Rech, ist Glas ein Festkörper oder eine Flüssigkeit?

Bernd Rech: Einerseits eine – sehr zähe – Flüssigkeit: Beim Erkalten kristallisiert geschmolzenes Glas nicht wie gefrierendes Wasser. Gleichzeitig ist Glas auch ein amorpher Festkörper. Das heißt: Seine Atome besitzen eine Nah-, aber keine Fernordnung. Stellen Sie sich Millionen Menschen auf einem großen Platz vor, die alle versuchen, einen Meter Abstand zu ihren Nachbarn einzuhalten. Es entstünde ein glasartiges Gebilde, aber kein durchgehend ausgerichteter Menschenkristall, da die Abstände dann ungefähr, aber nicht genau ein Meter wären.

TR: Und warum ist Glas durchsichtig?

Rech: Was wir im Alltag als Glas bezeichnen, besteht im Wesentlichen aus Siliziumdioxid. Seine Transparenz hängt mit dessen elektronischen Eigenschaften zusammen: Die Atome sind so gebunden, dass ihre Elektronenwolken für sichtbares Licht kein Hindernis darstellen.

TR: Was geschieht, wenn Licht auf einen Spiegel trifft?

Rech: Licht kann man sich als schwingendes elektrisches Feld vorstellen. Trifft es auf die Metallschicht des Spiegels, beginnen die im Metall frei beweglichen Elektronen mit der gleichen Frequenz zu schwingen und erzeugen so neue Felder. Der Spiegel sendet dann selbst Lichtwellen aus, ist also gleichzeitig Empfänger und Sender. In einem undurchsichtigen Material hingegen können die Elektronen nicht frei schwingen. Vielmehr stoßen sie mit den umgebenden Atomen zusammen und geben so die Energie des Lichts als Reibung ab – das Material wird warm.

TR: Warum verhalten sich die Elektronen im Glas anders?

Rech: Das erklären Physiker mit dem Bändermodell. Ein "Band" steht für ein bestimmtes Energieniveau, das Elektronen annehmen können. Die Bänder kann man sich wie zwei Regalbretter vorstellen: Das untere ist voller Elektronen-"Kugeln", das obere leer. Das Licht kann jetzt Kugeln vom unteren Brett auf das obere heben – aber nur, wenn es dafür genug Energie mitbringt. In Glas sind dafür rund sieben Elektronenvolt nötig. Ein Photon aus der Mitte des sichtbaren Lichtspektrums hat aber nur zwei Elektronenvolt. Das reicht nicht. Das Photon kann also unbehelligt passieren.

TR: Und wenn die Strahlung eine höhere Energie aufweist, beispielsweise bei UV-Licht?

Rech: Für ultraviolettes Licht ist normales Fensterglas in der Tat undurchlässig. Seine Energie reicht aus, um die "Kugeln" anzuheben – sie wird also absorbiert. Bei Infrarotlicht ist es genau andersherum: Die Strahlen besitzen weniger Energie als sichtbares Licht, entsprechend leicht gelangen sie hindurch. Moderne Fenster werden mit dünnen, durchsichtigen Filmen beschichtet, die infrarotes Licht reflektieren. So gelangt Sonnenlicht in das Haus, wird dort absorbiert und wärmt das Interieur. Die dabei entstehende Infrarot-Wärmestrahlung wird von den beschichteten Fenstern reflektiert und bleibt dadurch im Haus. (bsc)