"Eine menschliche Indexier-Maschine"

Ben Silbermann, CEO von Pinterest, über die Stärken der Offline-Welt, das Prinzip der Entdeckung und die Frage, wie man mit den Bildersammlungen des Dienstes irgendwann Geld verdienen kann.

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Von
  • Tom Simonite

Ben Silbermann, CEO von Pinterest, über die Stärken der Offline-Welt, das Prinzip der Entdeckung und die Frage, wie man mit den Bildersammlungen des Dienstes irgendwann Geld verdienen kann.

Unter den sozialen Medien hat Pinterest einen erstaunlichen Aufstieg geschafft. Das kann daran liegen, dass es im Unterschied zur Konkurrenz auf Bilder statt geschriebene Inhalte setzt und mit einem ansprechenden Design aufwartet. Auf Pinterest können Nutzer „Pinboards“erstellen, auf denen sie Bilder sammeln. Die teilen sie mit anderen, die sie wiederum auf neue Bilder aufmerksam machen. Die meisten Pinterest-Nutzer sind Frauen – auch das unterscheidet es von anderen sozialen Netzwerken. Technology Review sprach mit Pinterest-CEO Ben Silbermann(?) über die Stärken der Offline-Welt, das Prinzip der Entdeckung und die Frage, wie man mit den Bildersammlungen des Dienstes irgendwann Geld verdienen kann.

Technology Review: Welches Bedürfnis wollten Sie bedienen, als Sie 2009 Pinterest starteten?

Ben Silbermann: Zu der Zeit sorgten Dienste mit textbasierten Nachrichten für Furore, vor allem Facebook und Twitter. Wir hatten aber das Gefühl, dass die Dinge, die uns im echten Leben bewegen, in diesem Format nur schwer auszudrücken sind. Spannend war, dass Leute anfingen, Pinboards anzulegen mit Dingen, die sie in ihrem Alltag machten. Diese anfängliche Nutzerbasis schlug den Ton für Pinterest an: Man nutzt es, um sich inspirieren zu lassen und Dinge zu planen – ob es um die neue Einrichtung der Wohnung geht oder die Gestaltung eines Gartens.

TR: Sie sollen gesagt haben, dass dieses Verhalten näher an der Offline- als an der Online-Welt ist.

Silbermann: Im Unterschied zur Suche hat man der Entdeckung nicht so viel Beachtung geschenkt. Entdeckung heißt Erkundung: Sie bewegen sich durch viele interessante Dinge und stellen am Ende der Reise fest, dass Sie etwas gefunden haben, von dessen Existenz Sie nichts wussten, das Ihnen sehr gut gefällt. Diese Erfahrung lässt sich online nur sehr schwer erzeugen. Die Offline-Welt hat sich viel mehr Zeit gelassen, sich einer Sache schrittweise anzunähern. Etwa wenn Menschen sich überlegt haben: „Wie müsste ein Fenster-Display aussehen?“, „Wie müsste ein Katalog aussehen?“

TR: Wie löst Pinterest dieses Problem?

Silbermann: Wir bezeichnen Pinterest oft als eine menschliche Indexier-Maschine. Google hat Crawler entwickelt, die das Web durchstreifen, und faszinierende Algorithmen dafür. Wir geben den Menschen Werkzeuge an die Hand, mit denen sie diesen Vorgang auf ihre Weise organisieren können. Indem sie das tun, organisieren sie den Vorgang so, dass er auch für andere Menschen einen Sinn ergibt. Dieses Organisieren ist anders als ein Ansatz, bei dem man nur Maschinen einsetzt.

TR: Viele sehen Pinterest als einen Dienst, der hauptsächlich von Frauen genutzt wird. Stimmt das?

Silbermann: Auf diese Weise betrachten wir die Pinterest nicht. Wir versuchen, etwas für die ganze Welt zu aufzubauen. Es stimmt schon, dass die meisten Nutzer zurzeit Frauen sind. Das liegt wohl daran, wie der Dienst sich entlang von Interessenskategorien entwickelt. Da gibt es die Kategorie Inneneinrichtung, und schon bildet sich eine verwandte Kategorie. Wenn jemand etwa die Kategorie Camping eröffnet, wäre Angeln eine naheliegende Abzweigung.

TR: Pinterest hat sich etabliert. Sind Sie noch innovativ?

Silbermann: Uns beschäftigt jeden Tag die Frage: Wie können wir Pinterest noch besser darin machen, Dinge zu entdecken und etwas aus ihnen zu machen? Wenn wir etwas Neues entwickeln, geht es am Anfang immer darum, was wir den Nutzern ermöglichen wollen. Dabei gibt es echte technische Schwierigkeiten, beispielsweise das Empfehlen von Dingen. Dazu kommen Design-Überlegungen: Wie bekommt man all das auf einem 3,5-Zoll-Bildschirm untergebracht? Schließlich gibt es noch Probleme des „sozialen Designs“: Wie ermuntern wir die Menschen, einander zu helfen? All das muss in eine Anwendung passen, die man herunterladen kann und die Reaktion auslöst: „Ja, das will ich nutzen.“ Der ganze Prozess macht Spaß, ist aber auch chaotisch.

TR: Wie wollen Sie damit Geld verdienen?

Silbermann: Der Grund, warum es Pinterest gibt, ist, anderen Leuten bei Entdeckungen zu helfen. Mit denen können sie dann irgendetwas machen. Viele von diesen Dingen sind kommerzieller Natur. Bevor ich kürzlich Vater wurde, habe ich mit meiner Frau das Kinderzimmer auf Pinterest geplant. Oder ich plane, was ich mit meinem Kind unternehmen will. Dabei kommen häufig Dinge heraus, die ich kaufe. Ich denke, hier ist der Punkt, an dem wir am Ende Geld verdienen können. Es wäre toll, wenn mir die perfekte Wiege gezeigt wird und ich sie dann kaufen kann. Dann wäre Pinterest besser, als es jetzt ist.

(nbo)