Schwere Vorwürfe gegen Amazon im Bundestag

Die Opposition sieht im Amazon-Skandal um Leiharbeiter ein strukturelles Problem und wirft Berlin unzureichende Kontrollen vor. Die Regierungsfraktionen halten die Aufsichtsinstrumentarien dagegen für ausreichend.

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Der Online-Händler Amazon musste sich im Bundestag am Mittwoch im Rahmen der von der ARD aufgedeckten Zeitarbeiteraffäre scharfe Kritik gefallen lassen. Der Konzern habe "menschenunwürdige Arbeitsbedingungen" begünstigt und geduldet, dass Leiharbeiter "auf Schritt und Tritt bespitzelt" worden seien, kritisierte Beate Müller-Gemmeke von den Grünen in einer Aktuellen Stunde des Parlaments. Menschen seien "wie Waren behandelt" worden. Es reiche daher nicht, wenn der Versandhändler einzelnen Dienstleistern kündige: "Auch Amazon selbst muss auf den Prüfstand." Nötig seien zudem neue "soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt".

Der SPD-Abgeordnete Michael Roth kritisierte die hohe Zahl an befristeten Verträgen und eine "beispiellose Geheimniskrämerei" bei Amazon. "Wir brauchen eine Wiederbelebung der Kultur der sozialen Verantwortung", forderte der Sozialdemokrat. Aber auch die Politik müsse endlich tätig werden. Der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" müsse wieder gelten, zudem sollten Niedriglohnsektor und Leiharbeit begrenzt werden. Für Klaus Barthel von der SPD zeichnet sich im Fall Amazon "die Spitze der Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt" ab.

Rot-Grün sei daran nicht ganz unschuldig, konstatierte Jutta Krellmann von den Linken. Der "schäbigen Ausbeutung" von Leiharbeitern hätten die "unseligen Hartz-Gesetze" Tür und Tor geöffnet. Wirkungsvolle Kontrollen scheiterten an schwammigen Vorgaben. So gehe auch Amazon davon aus, dass kaum Sanktionen zu befürchten seien. Die Firma habe schließlich "nachweislich von den Verhältnissen gewusst".

Die Bundesregierung sei nicht bereit, für "Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt" zu sorgen, wetterte die Sozialdemokratin Anette Kramme. Dass Berlin nun eine Prüfung der Vorgänge durch die Arbeitsagentur eingeleitet habe, sei allein dem "medialen Druck" zu verdanken, vermutet ihre Fraktionskollegin Gabriele Lösekrug-Möller. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeige sich kurzfristig größtmöglich empört, nur um das Geschehen bei nachlassender medialer Aufmerksamkeit voraussichtlich als Einzelfall zu deklarieren.

"Wir waren alle geschockt über die Situation von Beschäftigten, die für die Firma Amazon arbeiten", räumte Karl Schiewerling im Namen der CDU/CSU-Fraktion ein. Er wolle aber der "Mär" entgegentreten, von der Leyen habe nichts getan. Die ausführlichen Ergebnisse der staatlichen Überprüfungen, an denen auch der Zoll beteiligt sei, lägen zwar noch nicht vor. Die Arbeitsagentur habe aber bereits bei der Zeitarbeitsfirma offensichtliche Unregelmäßigkeiten festgestellt. "Die Kontrolle funktioniert, die Instrumentarien greifen". Schwarz-Gelb habe zudem in der Zeitarbeit seit 2010 einen Mindestlohn eingeführt.

Die Anzahl der Prüfungen von Arbeitsbedingungen sei in den letzten drei Jahren um 93 Prozent erhöht worden, wandte sich auch Gitta Connemann von der Union gegen die Vorwürfe der Opposition. Diese dürfe ihren "Heiligen Zorn" daher nicht gegen die gesamte Leiharbeitsbranche richten. Die "Amazons und Zalandos" könnten aber nicht "alles machen, um ihren Profit zu steigern". Es gehöre zur Verantwortung eines Konzern, "Sozialstandards an jeder Stelle der Kette einzuhalten".

Der Vorfall müsse gründlich aufgearbeitet werden, meinte auch Heinrich Kolb von der FDP. Auflagen bis hin zum Entzug von Lizenzen und strafrechtliche Maßnahmen seien denkbar. Es gebe aber "keine Hinweise auf flächendeckenden Missbrauch", der politischen Handlungsbedarf nach sich ziehe. Die Vorgänge taugten nicht zu einem Generalangriff auf die Zeitarbeit. (vbr)