Festnahme in Kanada: Sie haben das Recht, einen Anwalt zu googlen

Die Jugend von Heute nutze generell das Internet zur Information; zudem könne Google bessere Ergebnisse liefern als ein Telefonbuch, führt eine kanadische Richterin aus und legt fest, dass ein Beschuldigter im Internet nach einem Anwalt suchen darf.

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Wer in Kanada festgenommen wird, hat das Recht, nach einem Anwalt zu googeln. Die Polizei muss diese Möglichkeit von sich aus anbieten. Dies hat ein Gericht der kanadischen Provinz Alberta in einem Strafverfahren entschieden (R. v. McKay, 2013 ABPC 13 ). Die Jugend von Heute nutze generell das Internet zur Information; zudem könne Google bessere Ergebnisse liefern als ein Telefonbuch, führt Richterin Heather Lamoureux sinngemäß aus. Die Entscheidung ist bisher von keiner höheren Instanz bestätigt worden und bedingt keinen unmittelbaren Freispruch.

Ein mutmaßlich alkoholisierter Autofahrer war nach einem positiven Atemtest festgenommen und seines Mobiltelefons entledigt worden. Der 19jährige erhielt von der Polizei die Möglichkeit, ein Telefon zu benutzen, und wurde auf eine Informationsrufnummer sowie den Dienst "411" hingewiesen. Am Boden lagen Telefonbücher. Er wählte die Informationsrufnummer, wo ihm lediglich seine Rechte genannt wurden, die ihm schon der Polizist vorgelesen hatte. Der junge Mann tätigte in der Annahme, nur einen einzigen Anruf führen zu dürfen, kein weiteres Telefonat.

In der Folge wurden weitere Alkohol-Tests durchgeführt und Anklage nach dem Strafgesetz (Criminal Code) erhoben. Vor Gericht sagte er aus, in der Regel Google zur Informationsbeschaffung zu nutzen. "411" sei ihm kein Begriff gewesen [es handelt sich dabei um eine nicht allgemein bekannte Telefonauskunft, Anm. d. Red.]. Er sei sehr an rechtlichem Beistand interessiert gewesen, habe aber nicht gewusst, dass er weitere Rechte als einen einzigen Telefonanruf habe.

"Der durchschnittliche 19jährige wird zuerst im Internet nach Informationen über juristische Beratung suchen, bevor er (Telefonbücher) oder 411 konsultiert", schreibt die Richterin in ihrer (auch für interessierte Laien auf Englisch lesbaren) Entscheidung. Die Anklage habe nicht bewiesen, dass sie dem Beschuldigten ausreichende Möglichkeit zur Informationsbeschaffung gewährt habe. Im Jahr 2013 sei jede Polizeistation mit Internetzugang auszurüsten. Beschuldigte müssten die gleiche Möglichkeit erhalten, einen Anwalt online zu finden, wie mittels gedrucktem Telefonbuch. Die über Google erhältlichen Daten könnten auch aktueller und detaillierter sein als ein Name mit Nummer aus dem Telefonbuch.

Da dem jungen Mann kein Internetzugang angeboten worden sei, ist er laut der Entscheidung in seinem Recht auf anwaltlichen Beistand und auf Information darüber verletzt worden. Ein Freispruch ist damit nicht unmittelbar verbunden. In der nächsten Stufe des Verfahrens könnte das Gericht bestimmte Beweise ausschließen, die die Polizei erhoben hat, weil der Beschuldigte keinen Anwalt hatte.

Ähnliche Entscheidungen aus Kanada oder den USA sind bisher nicht bekannt. Aber US-Anwalt John Mitchell kann sich das gleiche Ergebnis auch in den Vereinigten Staaten vorstellen: "Es gibt in den USA kein Gesetz, das einen Richter davon abhalten würde, zur gleichen Ansicht zu gelangen", sagte er gegenüber heise online. Mitchell befasst sich regelmäßig mit US-Verfassungsrecht. "Es ist ein sehr schönes Argument, dass man rechtliche Beratung, für die man selbst bezahlt, mit zumindest der selben Sorgfalt aussucht, mit der man Socken bei Amazon kaufen würde." Mit einem vergleichbaren Fall dürfte sich in Deutschland noch kein Gericht beschäftigt haben; rechtliche Hürden, die eine vergleichbare Entscheidung verhinderten, sollte es hierzulande allerdings auch nicht geben. (jk)