Zugriff verweigert

Googles ambitioniertes Programm einer digitalen Bibliothek mit Millionen Büchern ist vor Gericht versandet. Im April will nun eine Gruppe von Top-Akademikern eine nicht kommerzielle Variante in den USA zugänglich machen. Doch auch die ist voller Tücken.

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Von
  • Nicholas Carr

Googles ambitioniertes Programm einer digitalen Bibliothek mit Millionen Büchern ist vor Gericht versandet. Im April will nun eine Gruppe von Top-Akademikern eine nicht kommerzielle Variante in den USA zugänglich machen. Doch auch die ist voller Tücken.

In seinem Buch „World Brain“ aus dem Jahr 1938 schrieb H.G. Wells von einer nicht allzu fernen Zukunft, in der jeder Mensch auf dem Planeten einfachen Zugriff auf „alles, was je erdacht und geschrieben wurde“, haben würde.

Er lebte in einem Jahrzehnt mit raschen Fortschritten in der Mikrofotografie. Als Technologie für den universellen Zugang zu allem menschlichen Wissen schwebten Wells deshalb Mikrofilme vor. „Die Zeit ist nah“, so schrieb er, „in der jeder Student in jedem Teil der Welt mit einem Projektor in seinem Studierzimmer nach Belieben jedes Buch und jedes Dokument als exakte Nachbildung ansehen kann.“

Wells’ Optimismus war nicht gerechtfertigt. Der Zweite Weltkrieg sorgte bald für eine Unterbrechung jeglicher idealistischer Projekte, und als wieder Frieden herrschte, verhinderten technische Beschränkungen die Umsetzung seiner Vision. Der Mikrofilm blieb zwar ein wichtiges Medium für die Speicherung und Lagerung von Dokumenten. Doch als Basis für ein umfassendes System zur Weitergabe von Wissen war er zu unpraktisch, zu empfindlich und zu teuer.

Die Idee aber lebt weiter. Heute, 75 Jahre später, scheint die „Bibliothek von Utopia“, wie es der Princeton-Philosoph Peter Singer formulierte, durchaus in Reichweite. Mit dem Internet existiert bereits ein Informationssystem zur effizienten und billigen Speicherung sowie zur Übertragung von Dokumenten für jeden Menschen mit Computer oder Smartphone. Jetzt müssten noch die 100 Millionen Bücher, die seit der Erfindung der Druckmaschine durch Johannes Gutenberg erschienen sind, digitalisiert, indexiert und mit ein paar Metadaten versehen werden. Dann könnten sie allen online zum Lesen und Durchsuchen zur Verfügung stehen.

Und wenn es nur um das Bewegen von Bits und Bytes ginge, würde eine solche universelle Bibliothek vielleicht schon existieren. Immerhin beschäftigt sich Google bereits seit über zehn Jahren damit. Doch das Buchprojekt des Suchmaschinen-Riesen ist ins Stocken geraten, verstrickt in rechtliche Probleme.

Dafür nimmt jetzt ein weiteres Großprojekt zum Aufbau einer universellen Bibliothek allmählich Formen an, diesmal nicht aus dem Silicon Valley, sondern ausgehend von der Harvard University. Die Digital Public Library of America – DPLA – kann mit großen Zielen, großen Namen und großen Spendern aufwarten. Wird also die akademische Elite Erfolg haben, wo die technische gescheitert ist?

Larry Page ist nicht eben als Schöngeist bekannt, aber er denkt gern in großem Maßstab. Im Jahr 2002 entschied der Google-Mitgründer, dass es für sein junges Unternehmen Zeit sei, alle Bücher der Welt zu scannen und in eine Datenbank zu bringen. Sonst würde das Unternehmen nie seine Mission erfüllen können, den Informationsschatz dieser Welt „universell zugänglich und nützlich“ zu machen.

Im Jahr 2004 gingen Page und seine Mitstreiter mit ihren Plänen an die Öffentlichkeit. Später bekam das Projekt den Namen Google Book Search. Fünf der größten Forschungsbibliotheken der Welt schlossen sich als Partner an. Im Tausch gegen Kopien der Abbilder erlaubten sie Google, Bücher aus ihren Beständen zu scannen. Das Unternehmen begann mit voller Kraft und legte digitale Kopien von Millionen von Werken an. Dabei beschränkte es sich allerdings nicht auf gemeinfreie Bücher, sondern scannte auch urheberrechtlich geschützte Werke. Damit begannen die Schwierigkeiten. Der Autorenverband Authors Guild und die Verleger-Organisation Association of American Publishers verklagten Google: Das Kopieren ganzer Bücher sei eine „massive“ Urheberrechtsverletzung, selbst wenn anschließend nur wenige Zeilen davon in Suchergebnissen erscheinen sollten. (rot)