Der ungehobene Schatz

Insbesondere große Unternehmen versprechen sich Wettbewerbsvorteile von einer gezielten Analyse ihrer Datenmengen. Kleine Firmen sind noch skeptisch. Doch auch sie könnten von der Technologie profitieren.

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Von
  • Bernd Müller

Insbesondere große Unternehmen versprechen sich Wettbewerbsvorteile von einer gezielten Analyse ihrer Datenmengen. Kleine Firmen sind noch skeptisch. Doch auch sie könnten von der Technologie profitieren.

Dann schauen Sie sich doch Google an.“ Diesen Satz müssen sich Manager deutscher Unternehmen in den letzten ein oder zwei Jahren öfter anhören. Wer von ihnen bezweifelt, dass Big Data Analytics – die Analyse riesiger Datenmengen – ihrem Geschäft nutzen könnte, dem kontern IT-Berater gebetsmühlenartig mit dem Beispiel des amerikanischen Suchmaschinenkonzerns. Ihr Argument: Google sei der Prototyp des datengetriebenen Unternehmens und erfolgreich obendrein. Denn wer seine Daten intelligent verknüpfe, wisse mehr über seine Kunden, und das bringe mehr Profit.

Auch wenn manche Vergleiche hinken – ein mittelständischer Maschinenbauer ist schließlich kein 30-Milliarden-Dollar-Internetkonzern –, so gibt es doch Parallelen. Langsam wird auch Unternehmen außerhalb der IT-Branche klar, dass Big Data mehr zu sein scheint als nur eine wei-tere Sau, die von geldhungrigen Softwarehäusern durchs Dorf der Informationstechnologie getrieben wird. Vielmehr geht es darum, etwas, das ohnehin unvermeidlich und ständig wachsend produziert wird, zu seinem Vorteil zu nutzen. Viele Firmen – ob Maschinenbauer, Supermarktkette oder Versicherung – häufen tagtäglich Unmengen von Daten an: Steuer- und Störungsmeldungen aus Produktionsanlagen, das Einkaufsverhalten von Kunden oder Schadensmeldungen von Verkehrsunfällen. Wer aus all den Informationen die richtigen Schlüsse zieht, verschafft sich Wettbewerbsvor-teile – das sagt auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau.

Vorreiter sind Unternehmen nah am Kunden, also zum Beispiel Warenhäuser oder Supermärkte. Die Drogeriemarktkette dm zum Beispiel optimiert ihre Einsatzplanung der europaweit 36000 Mitarbeiter mit Big Data. Bisher haben die Marktleiter den Personalbedarf nach Erfahrungswerten geschätzt. Das stimmte meistens, aber nicht immer, manchmal gab es Über- oder Unterbesetzungen. Seit 2007 errechnet eine Big-Data-Software den Personalbedarf jeder Filiale. Sie kalkuliert Ferientermine, Warenlieferungen, Wetterprognosen und sogar Baustellen auf den Zufahrtsstraßen ein. Die Software erzeugt dabei 450000 Kunden- und Umsatzprognosen pro Woche für 2500 Filialen, deren Filialleiter dann den jeweils auf sie zugeschnittenen Personalplan erhalten. So sind Prognosen der Mitarbeitereinsatzplanung bis zu acht Wochen in die Zukunft möglich.

Auch Fraport, der Betreiber des Frankfurter Flughafens, plant seinen Personaleinsatz mit Big Data. Sekündlich analysiert die Software unter anderem, welche Flugzeuge verspätet sind oder wie die Wettervorhersage aussieht. Daraus berechnet sie mögliche Engpässe in der Passagier- oder Gepäckabfertigung. Ohne diese Hilfe könnten selbst erfahrene Mitarbeiter nicht alle für die Planung relevanten Informationen im Blick behalten.

Big Data ist also weit mehr als ein neues Software-Werkzeug. Es bietet einen ganz neuen Ansatz, um Unternehmen zu steuern. Datengetriebenes Management heißt das Zauberwort – das aber vom Führungspersonal leicht als Entmündigung missgedeutet wird. Dabei gehe es gar nicht darum, das Management zu ersetzen, beschwichtigt Rainer Kent Vogt, Big-Data-Experte beim Softwareanbieter SAS. Die Methode solle stattdessen Handlungsalternativen aufzeigen und Entscheidungen, die bisher aus dem Bauch getroffen wurden, durch Fakten untermauern. „Nur das Wetter und die Lottozahlen können wir nicht vorhersagen“, behauptet Kent Vogt. Den Bankencrash von 2009 allerdings auch nicht, muss er zugeben. Dafür aber hätten SAS-Kunden weit schneller in die Normalität zurückgefunden als Banken ohne Big-Data-Know-how. Belege bleibt er jedoch schuldig. (wst)