Von Spinnenseide zum Universum

In der Wissenschaft schwillt die Datenmenge seit Jahren exponentiell an. Im Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) entwickeln Forscher spezielle Strategien für deren Verwaltung und Auswertung.

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Von
  • Gerhard Samulat

In der Wissenschaft schwillt die Datenmenge seit Jahren exponentiell an. Im Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) entwickeln Forscher spezielle Strategien für deren Verwaltung und Auswertung.

Daten sind das Lebenselixier der Forscher – ohne Fakten gewönnen sie keinerlei neue Erkenntnisse. Doch inzwischen sind die gesammelten Informationen selbst zum Gegenstand der Forschung geworden, genauer gesagt: der Umgang mit ihrer schier unvorstellbaren Menge. Immer schnellere und billigere Sensoren ermöglichen den Bau immer komplexerer Forschungsgeräte: Sequenzierautomaten fürs Erbgut, globale Messnetze, Satelliten, Observatorien – sie alle häufen Berge von Bits und Bytes an. Der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider bei Genf etwa erzeugt im Endausbau jährlich weit über 15 Petabyte an Daten. Das entspricht mehr als zehntausend voll beschriebener DVDs pro Tag oder Videofilmen in HD-Qualität mit einer Gesamtlänge von rund 700 Jahren. „Bereits die Speicherung der anfallenden Rohdaten macht heute schon erhebliche Probleme“, sagt Andreas Reuter, Geschäftsführer des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS). Denn zur Sicherheit müssen die Experten ihre Ergebnisse mindestens zweimal speichern, sie bereinigen, verifizieren, formatieren und so weiter. Das alles kostet Rechenzeit und Geld. „Die Daten dann auch noch vernünftig auszuwerten ist mit heutigen Rechnern kaum möglich“, so Reuter.

Um genau dieses Problem anzugehen, rief Klaus Tschira – einer der Mitbegründer des Softwareunternehmens SAP – 2010 das HITS ins Leben. In dem gemeinnützigen Forschungsinstitut, hoch über dem Neckar gelegen, ersinnen rund 80 Computerlinguisten, Mediziner, Biochemiker und Astrophysiker neue Methoden des Data Mining: der Kunst, aus einem Datenwust das jeweils Wichtige herauszufischen.

Entscheidend dafür ist oft eine geschickte Visualisierung, damit mögliche Korrelationen im wahrsten Sinne des Wortes „ins Auge fallen“. Ein gutes Beispiel ist die Arbeit von Frauke Gräter. „Wir betrachten hier das Wechselspiel von bis zu einer Million Partikeln gleichzeitig“, erläutert die Leiterin der Gruppe Molekulare Biomechanik und zeigt auf einen Bildschirm, auf dem ein Gebilde aus grauen Kugeln zappelt. Ihr Team untersucht, wie sich Biomoleküle oder Komposite – also Verbundwerkstoffe – durch mechanische Kräfte auf atomarer Ebene verändern. Auf die Mattscheibe hat sie ein Modell einer Spinnenseide gezaubert. Spinnfäden gelten als idealer Werkstoff; sie sind belastbarer als Stahl, gleichzeitig aber extrem dehnbar. Auch in der Chirurgie ist das faszinierende Produkt der Achtbeiner gefragt, zum Vernähen von Wunden etwa, denn es ist ohne schädliche Rückstände biologisch abbaubar. ()