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Was war. Was wird.

Ach, Europa. Wer solche Verteidiger hat, braucht sich über seine Feinde keine Sorgen zu machen, grummelt Hal Faber. Und hört lieber black classical music.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** This is a small web weekly column written in the north German low lands hosted by a lion hearted publisher in a nice building with empty spaces, a pond and two gorgeous ducks in it. With this column I mogrify my pleasure of having a Federal President Duck, eeham a Gauck giving his utmost important speech about Europe. Unfortunately, his speechie is in German. But there is hope at the end of the tunnel as we have the most nasty power protection right hurtfuller Google and its el cheapo translation service, which works, nicely or naughty: "It's true: the young generation grows up anyway with English as the lingua franca. But I think we should not just leave things to the linguistic integration of things. More Europe is not only multilingualism for the elites, but multilingualism for ever larger populations, more and more people, eventually for all! I am convinced that in Europe both can live side by side: at home in their own language and in their poetry and a practical English for all occasions and ages. With a common language could also be my preferred image for the future Europe easier to implement: a European Agora, a common discussion space for democratic coexistence." What a progress this is, from the days of President Lübke and his famous Brühler quote "Equal goes it loose" to Queen Elizabeth.

*** Gleich geht es los, ja das ist leider ein Fake gewesen, aber Lübkes Deutsch, das hatte schon die von Gauck auf Deutsch geforderte "Beheimatung in der eigenen Muttersprache und in ihrer Poesie" in schönster Blüte, wie am 13. August 1962 in Berlin: "Das freie Wort schlägt unter uns Brücken von Mensch zu Mensch". Natürlich nur unter der Bedingung, dass es nicht zu Protokoll gegeben wird. Berlin 2013 zeigt mit dieser Behandlung des e-Government-Gesetzes, die exakt 24 Sekunden dauerte, was mit dem freien Wort los ist. Besser kann das totale politische Desinteresse für De-Mail und für die qualifizierte Signatur für den neuen Personalausweis oder die elektronische Gesundheitskarte nicht illustriert werden. Was wird mit all den angeblichen Verwaltungsvereinfachungen, denen ein "hoher Nutzen für unsere Bürger da draußen im Land" attestiert wird? Ganz zu schweigen vom schwärmerisch angegangenen Europa mit einer Agora, die durchweg englisch parlieren soll, aber "rechtssichere" Mail-Systeme kennt, die an der Staatsgrenze halt machen müssen. Ganz ohne Übersetzung, da mag jeder seinen eigenen Babelfisch nehmen: "Vielleicht könnten ja unsere Medienmenschen, könnte unsere Medeinlandschaft so eine Art europafördernde Innovation hervorbringen, vielleicht so etwas wie Arte für alle, ein Multikanal mit Internetanbindung, für mindestens 27 Staaten, 28 natürlich, für Junge und Erfahrene, Onliner, Offliner, für Pro-Europäer und Europa-Skeptiker. Was ist denn dieses Internet, wenn nicht ein Multikanal für alle, mit Chatrooms in jeder Sprache?

*** Seit dieser Woche ist das Internet vermessen, vom Anfang bis zum Ende. Stolz hat die Firma Pan Amp gemeldet, dass nach 8 Jahren die Vermessungsarbeiten beendet sind. Alle Router und Gateways sind aufgezeichnet, alle Latenzzeiten für die Ewigkeit gesichert, alle Traceroute-Sagas sind zu Ende erzählt. Auf Grundlage der Vermessung will die Firma Pan Amp länderübergreifende Routings aufgrund der Datenpaketlaufzeiten identifizieren können. Da kommt man doch ins Grübeln: Muss das Legen neuer Kabel nicht in Hamburg gemeldet werden, ditto das Schrauben an der Software, wenn mit ihr Latenzzeiten verändert werden? Wo ist der rote Warn-Button "Vermessungsarbeiten! Hände weg vom Internet!" zu finden? In Berlin, wo die Firma ihren Vermessungs-Coup auf einem natürlich europäisch angelegten Polizeikongress verkündete, warb sie für einen Deep Internet Packet Flag. Vor diesem Flag dürfte kaum ein Angreifer sicher sein, wenn Pan Amp ihn setzt. Es muss am Karneval liegen, dass Aprilscherze so früh im Jahr gemacht werden. Oder man will offenbar sich nicht lumpen lassen zur Feier des Geburtstages von RFC 3514 und fängt jetzt schon an, die Admins zu kitzeln.

*** Der vernünftigste Gedanke, der auf dem Polizeikongress geäußert wurde, kam wieder einmal vom BKA. Wieder einmal, weil schon auf dem Grünen Polizeikongress der BKA-Beamte Mirko Manske den wahren Satz zur fehlenden Vorratsdatenspeicherung sagte: "Wir kommen hier nicht weiter. Wir können nicht helfen, weil der Preis für die Gesellschaft zu hoch ist." In Berlin formulierte Manskes Vorgesetzter Jürgen Maurer die Frage so: "Die Gesellschaft muss einen Diskurs führen, ob sie Sicherheit in diesem Bereich haben will. Egal, wie man diskutiert, man muss sich hier entscheiden, ob man den Ermittlungserfolg haben will oder nicht." Maurers Pech war es, dass er auf diese Überlegungen unpassende Anmerkungen zur Privatheit folgen ließ. Aber damit ist die kluge Frage nicht beantwortet, was wir als Gesellschaft wollen. Maurers Frage stimmte sogar der AK Vorrat zu, ergänzte aber: "Wir sind der Meinung, dass man auf Ermittlungserfolge gerade dann verzichten muss, wenn die Mittel, die dazu notwendig sind, übermäßig und unverhältnismäßig Menschen- und Grundrechte beschneiden bzw. verletzen, und die freiheitliche Konstitution einer Gesellschaft in Frage stellen." Diese wichtige, von der Gesellschaft zu beantwortende Frage geht viel weiter als die Frage einer Brüsseler Strafzahlung. Dass Maurer auch von der datenschutzkritischen Spackeria gelobt wird, ist vielleicht der Anfang eines Dialoges.

*** Verflixtnochmal! Hätte ich noch so viele Haare, ich würde sie ausraufen. Da erwähnt man das Wichsen der Schuhe in der Kleinen Hexe, schon dreht sich der große Otfried Preußler um und fließt seines Weges weiter, wie es in einem Gedicht von ihm heißt. Es war schön, Kinder mit seinen Büchern aufwachsen zu sehen und mit bierernsten Linken darüber zu debattieren, was es mit der verfluchten Verführung zum Okkultismus auf sich hat. Leben wir nicht in einer restlos aufgeklärten Gesellschaft? Später lasen alle den Tolkien, die Kinder wie die Linken, und das kleine Gespenst klapperte mit den Schlüsseln vor Lachen. Okkult gesinnte Geister könnten noch anführen, dass Joe Weizenbaum, der Geschichtenerzähler der IT und Otfried Preußler im selben Jahr geboren sind. Nun ja: diese Wochenschau erscheint am Geburtstag von Jacques de Vaucanson, Steve Jobs und Judith Butler. Doch nur Philip Rösler feiert.

*** Feiern sollte man aber vor allem eine: Nina Simone, die in dieser Woche 80 geworden wäre und die nie eine Jazz-Musikerin sein wollte. "Jazz is a white term to define black people. My music is black classical music." Und sie insistierte:

We must begin to tell our young
There's a world waiting for you
This is a quest that's just begun.

Und was wohl auch heute noch gilt. Eine souveräne Seele. Ja.

Was wird.

Wenn es kein Kauderwelsch ist, dann dürfte das unsägliche Gerangel um ein Leistungsschutzrecht für deutsche Verleger beendet sein, noch bevor ein hastig gezimmerter Gesetzentwurf verabschiedet wird, der von Gerichten kassiert werden dürfte. Am kommenden Montag soll es eine weitere Anhörung zu diesem Lobby-Unfall geben, den besagter Philip Rösler so wegerklärbärt hat. Die geplante Abstimmung im Bundestag ist aus ungeklärten Gründen aus der Tagesordnung der Politiker getürmt. Was bleibt, ist die amüsante Geschichte einer Google-Kampagne mit einem durchaus treffenden Taxi-Vergleich, der in deutschen Taxis verboten ist. So bleibt die Frage vorerst offen, ob deutsche Taxifahrer von Restaurantbesitzern Geld verlangen dürfen, wenn sie ihnen Gäste bringen. Was bei Bordellen die Regel ist, muss auch für Google gelten, wäre vielleicht ein Umkehrschluss. Doch wer will schon logisch argumentieren, wenn es solche Texte über blinde Passagiere gibt? Vielleicht hilft eine okkulte Handlung wie das Einäschern einer Zeitung um Mitternacht, mit ausgepresstem Knoblauch und der Darbietung von Katzenfellen gegen all den Content im Internet. Vielleicht ist auch nur die Uhr der Verlegerverbände falsch eingestellt, wie beim kleinen weißen Gespenst.

Wie es sich für echte Ritter von den Gadget-Nüssen gehört, berichten ab heute Live-Blogs von der Mobiltelefon-Messe in Barcelona. Dahinter grummelt es gewaltig, die CeBIT erschüttert bald die norddeutsche Tiefebene. Es wird die letzte Computermesse sein, die man ohne Multimedia-Brille oder eben Google Glasses betreten darf. Spitzenleistungen der Industrie werden präsentiert, wie etwa 50 verschiedene Fleischsorten entdeckt werden können. So viel gibt es nur beim Jüngsten Gericht, nicht in einer Tiefkühllasagne.

Damit es nicht ganz im Messetrubel untergeht, sei vorzeitig auf eine kleine Dokumentarfilmsendung aus Israel verwiesen, die Arte und ARD hintereinander unter dem idiotischen Titel Töte zuerst ausstrahlen, weil das Wort "Gatekeeper" bei uns angeblich für Journalisten reserviert ist. Die Gatekeeper sind sechs ehemalige Chefs des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, die überraschend realistische Einstellungen zur verpassten Zukunft von Israel haben.

Die Antwort auf Gaucks epochaler Europarede gibt es übrigens in Italien. Europahaha. (jk)