US-Gericht legt Whistleblower-Webseite lahm

Ein kalifornisches Gericht hat die Löschung der Domain Wikileaks.org angeordnet. Auf der Whistleblower-Webseite werden brisante Dokumente anonym veröffentlicht. Vorausgegangen war ein Rechtsstreit mit der Schweizer Bank Julius Baer.

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Von
  • Torsten Kleinz

Wer heute die Seite Wikileaks aufruft, erhält nur eine Fehlermeldung: Der Domainname wurde nicht gefunden. Grund ist eine Verfügung gegen den US-Registrar Dynadot, die den Provider nicht nur zur Löschung des Domainnamens der Whistleblower-Webseite verpflichtete, sondern auch die Offenlegung sämtlicher Account-Daten anordnete. Der Registrar wurde ebenso angewiesen, den Umzug der Domain zu einem anderen Provider zu verhindern. Dennoch sind die Inhalte von Wikileaks weiter verfügbar, zum Beispiel über die Ausweich-Domain wikileaks.cx

Vorausgegangen war ein Rechtsstreit mit der Niederlassung des Schweizer Bankhauses Julius Baer auf den Cayman Islands. Wikileaks hatte im Januar mehrere hundert Dokumente veröffentlicht, die Steuerhinterziehung und Geldwäsche in dem Bankhaus belegen sollen. Darunter sind interne Schreiben, Korrespondenz und Kalkulationen. Die Wikileaks-Aktivisten geben an, dass sie die Daten an die entsprechenden Steuerbehörden weitergeleitet haben, damit die weitere Recherchen anstellen – meldet aber auch selbst Zweifel an der Korrektheit der Daten an. Die Wikileaks-Betreiber beschränken sich nicht auf die Veröffentlichung der Dokumente, sondern versuchen, kollektiv die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen und durch weitere Informationen zu ergänzen.

Kurz nach der Veröffentlichung der Dokumente aus der Niederlassung des Bankhauses hatte eine Anwaltskanzlei die Löschung verlangt, wie Wikileaks auf einer eigenen Seite dokumentiert. Darin führt der Anwalt aus, dass es sich bei den Dokumenten um illegal veröffentlichtes Material handele, und fordert die Löschung der Dokumente. Damit stieß er bei den Betreibern von Wikileaks jedoch auf wenig Entgegenkommen. Im hitzigen Mail-Wechsel konnten sich beide Seiten nicht einmal auf ein Procedere zur Benennung eines Rechtsvertreters von Wikileaks einigen – was dann auch Einfluss auf das weitere Verfahren hatte.

Die Anordnung des kalifornischen Gerichts nennt Wikileaks in einer Pressemitteilung verfassungswidrig. So sei Wikileaks erst Stunden vor der Anhörung per E-Mail informiert worden, bei der Verhandlung sei die Whistleblower-Gruppe nicht anwaltlich vertreten worden. In der Entscheidung sieht Wikileaks einen massiven Eingriff in die Meinungsfreiheit. "Im Prinzip ist die Verfügung vergleichbar mit einer Anordnung, die die New York Times zwingt, nur noch leere Seiten zu drucken – und dazu noch die Elektrizitätswerke zwingt, den Strom abzustellen", führen die anonymen Wikileaks-Autoren aus. In der Sache bleibt Wikileaks hart. Die Gruppe werde auch weiterhin die Dokumente veröffentlichen – "außerhalb der chinesischen und der US-Jurisdiktion".

Wikileaks wurde 2006 gegründet, um jedem die Chance zu geben, anonym brisante Dokumente zu veröffentlichen. Das Motto der Seite ist: "Wir schützen Ihre Identität und maximieren die politische Wirkung." Auf der Seite wurden schon mehrere brisante Dokumente veröffentlicht, die Gruppe gibt an, Geldwäsche in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar aufgedeckt zu haben. Im Dezember sorgte die Gruppe für Schlagzeilen, als sie aufdeckte, wie vom US-Stützpunkt Guantanamo Informationen in der Wikipedia manipuliert wurden.

Siehe dazu in Telepolis:

(Torsten Kleinz) / (jk)