Bank fürs Genom

Ein Medizin-Start-up bietet einen "DNA-Tresor" an, den Ärzte nutzen können, um Gendaten ihrer Patienten sicher abzulegen und analysieren zu lassen.

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Von
  • Susan Young

Ein Medizin-Start-up bietet einen "DNA-Tresor" an, den Ärzte nutzen können, um Gendaten ihrer Patienten sicher abzulegen und analysieren zu lassen.

Die Sequenzierung des gesamten menschlichen Genoms könnte in der Medizin mehr und mehr zum Standard werden – wenn es einfacher wäre, solche Untersuchungen zu veranlassen und anschließend die gewonnenen Daten sicher zu verwalten.

Das Start-up Coriell Life Sciences, ein Spin-off des Coriell Institute for Medical Research, das in Zusammenarbeit mit IBM gegründet wurde, soll das nun möglich machen. Die Firma will den kompletten Prozess der Erfassung, Speicherung und Interpretation von Gendaten für Ärzte übernehmen. Die im Frühjahr gestartete Unternehmung arbeitet derzeit mit verschiedenen amerikanischen Gesundheitsversorgern zusammen, um den Dienst aufzubauen. "Wir wollen, dass ein Arzt eine Genomsequenzierung so bestellen kann, wie das heute schon bei jedem anderen diagnostischen Test möglich ist", erläutert Scott Megill, Präsident von Coriell Life Sciences.

Die Firma wird die Sequenzierung allerdings nicht selbst übernehmen, sondern nutzt bestehende Anbieter wie Illumina oder Ion Torrent, vereinfacht aber die Zusammenarbeit mit diesen. Die gewonnenen Daten landen anschließend in einem sogenannten DNA-Tresor bei Coriell Life Sciences. Das Start-up agiert dann als Mittelsmann zwischen Ärzten und Firmen, die Analyse- und Interpretationsdienste verkaufen. "Zum Schluss bekommt der Arzt dann das Ergebnis der Sequenzierung in menschenlesbarer Form direkt in die elektronische Krankenakte geliefert. Dort kann er es dann studieren und dem Patienten erklären", sagt Megill.

"Man braucht eine robuste Softwareinfrastruktur, um solche Informationsmengen zu speichern, analysieren und präsentieren zu können", sagt Jon Hirsch, Gründer der kalifornischen Firma Synapse, die IT-Lösungen für die Verarbeitungen biologischer Datensätze in der Patientendiagnose entwickelt. "Bis die existiert, kann man eigentlich so viele Daten generieren, wie man möchte." Ohne passende Technik dienten die Genomsequenzierungen vor allem großen Forschungszentren der Genmedizin.

Coriell Life Sciences richtet derzeit einen Beratungskreis ein, der aus wissenschaftlichen Experten besteht, um die besten Analyseangebote zu identifizieren. "Keine einzelne Firma ist derzeit in der Lage, das gesamte menschliche Genom auf seine Bedeutung hin zu analysieren", sagt Michael Christman, Chef des Coriell Institute for Medical Research. "Sobald die eigene Sequenz im DNA-Tresor lagert, wird es Ärzten aber künftig möglich sein, Interpretationswerkzeuge zu bestellen, ähnlich wie man das von Apps auf einem Smartphone kennt." Ein Fachmediziner könne dann beispielsweise eine Anwendung ordern, die das Genom eines Patienten auf DNA-Varianten untersucht, die dafür sorgen, dass bestimmte Medikamente nur schlecht verstoffwechselt werden. Oder er könnte Tests anfordern, die bestimmte Krankheitsrisiken offenlegen.

Der Ansatz von Coriell Life Sciences soll Cloud-basiert sein: Die Daten liegen auf zentralen Servern, auf die dann von überall per Internet zugegriffen werden kann. Dabei ist es egal, wo der Arzt und wo der Analysespezialist sitzt, sagt Christman. "Das würde einem Doktor in einem kleinen Gemeindekrankenhaus in Tulsa erlauben, Interpretationen von Brusttumorgenen zu nutzen, die am renommierten Krebszentrum Sloan Kettering entstanden sind."

Doch so bequem die Onlinetechnik auch sein mag – es gibt Risiken beim Datenschutz. "Ich bin ein wenig skeptisch, ob wir ohne jegliche Regulierung damit beginnen sollten, solche Informationen in die Cloud auszulagern", meint Emiliano De Cristofaro, Kryptoforscher am Xerox-PARC-Labor, der an einer eigenen Genspeicherlösung samt sicheren Sharing-Möglichkeiten arbeitet. "Wir dürfen niemals vergessen, wie sensibel diese genetischen Daten eigentlich sind. So etwas gab es vorher noch nie." Das menschliche Genom sei schließlich nicht nur ein eindeutige Identifikationsmerkmal, sondern enthalte auch Informationen über die ethnische Herkunft und mögliche Neigungen zu bestimmten Krankheitsbildern. "Datenleaks passieren andauernd. Ein Passwort kann man vielleicht ändern, doch Gendaten lassen sich nicht mehr zurückziehen."

Coriell Life Sciences-Mann Megill betont, dass die Frage der Sicherheit ein zentrales Thema beim Aufbau des Unternehmens gewesen sei. Aus diesem Grund arbeite man auch mit IBM zusammen. Die Daten sollen zudem nur an einem Ort vorgehalten werden und nur bestimmten Nutzern zur Verfügung stehen – den Ärzten selbst und den Firmen, die diagnostische oder medizinische Interpretationen des Genoms anbieten. Praktisch dabei sei, dass die Patienten auch ihren Gesundheitsversorger wechseln könnten. "Die Daten bleiben auch dem neuen Arzt zugänglich." (bsc)