MWC

Mobile Payment wird kein Selbstläufer

Bezahlen mit dem Smartphone gilt seit Jahren als die Killer-Anwendung für die Nahfunktechnik NFC. Der Mobile World Congress 2013 soll endlich den Durchbruch bringen. Doch die Landschaft ist unübersichtlich.

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Mit dem Bezahlen via Handy ist das so eine Sache: Netzbetreiber und Hardwarehersteller warten mit geeigneten Geräten, bis der Handel soweit ist. Doch der will nicht in die nötigen Terminals investieren, solange die Kunden noch nicht mit ihrem Handy bezahlen können. Und der Kunde wartet und fragt sich, ob er das überhaupt braucht. Wenn alle aufeinander warten, sollte jemand dem Ganzen einen Schubs geben, sonst hört die Warterei nie auf.

Vom Mobile World Congress (MWC) in Barcelona soll ein wesentlicher Impuls ausgehen, hier versuchen gleich mehrere Unternehmen und Organisationen, das Thema anzuschieben – allen voran der internationale Netzbetreiberverband GSMA, der die Messe ausrichtet. Die GSMA nimmt für sich in Anspruch, die wichtigen Player – Netzbetreiber, Banken, Kreditkartenunternehmen, Gerätehersteller, Einzelhandel – an einen Tisch gebracht zu haben. Jetzt muss das Kind nur noch laufen lernen.

Visa hat in Barcelona eine Kooperation mit Samsung angekündigt und bringt die eigene Payment-Lösung auf die NFC-Handys der Koreaner, die wiederum eine eigene Geldbörsen-App für Android angekündigt haben. Die Telekom führt ihre mobile Geldbörse zusammen mit MasterCard in diesem Jahr auch in Deutschland ein. Elektronische Geldbörsen oder "Wallets" sind zudem in modernen Betriebssystemen integriert (Android, Windows Phone 8, in iOS 6 heißt sie "Passbook").

Die Sparkassen führen seit 2012 das eigene System giropay ein.

(Bild: c't)

Mit diesen virtuellen Brieftaschen können die Anwender Kreditkarten, Kundenkarten, Tickets und Coupons verwalten und benutzen. Abgesichert werden die Wallets durch ein sogenanntes "Secure Element", das zum Beispiel bei den Angeboten der Netzbetreiber auf der SIM-Karte sitzt. Das hat auch den Vorteil, dass wenn das Smartphone verloren geht, ein Anruf beim Netzbetreiber genügt, um alle Karten im elektronischen Portemonnaie zu sperren.

Die für das Mobile Payment eingesetzte Nahfunktechnik Near Field Communication (NFC) wird auf der Messe schon seit einigen Jahren als "kurz vor dem Durchbruch" gehandelt. "NFC ist eine Technik, die noch nach einer passenden Anwendung sucht", spottet Hill Ferguson vom Zahlungsdienstleister Paypal. Ein paar gibt es schon: In Deutschland testet die Bahn seit Jahren das Abrechnungssystem Touch & Travel, einige Nahverkehrsverbände bieten ähnliche Systeme an. Die Sparkassen haben 2012 mit der Einführung von NFC-Karten begonnen, seit 2012 gibt es hierzulande zudem mpass, hinter dem die großen Netzbetreiber stehen.

"NFC ist viel mehr als Mobile Payment", betont eine GSMA-Sprecherin gegenüber heise online. Der Netzbetreiberverband hat auf der Messe einige Beispielanwendungen eingerichtet, um die Möglichkeiten zu demonstrieren. Mit einem virtuellen Messepass kommt man auf das Gelände, am Eingang fragt ein NFC-Terminal die Daten vom Smartphone ab. In zahlreichen Restaurants und Bars n der Stadt kann man mit dem Handy auch kontaktlos bezahlen. Damit man das auch ausprobieren kann, hat Sony 3500 NFC-Smartphones gespendet, die an ausgewählte Messebesucher verteilt wurden.

Auch Berlin wird bereits ein Handyticket-System zum bargeldlosen Bezahlen von Bus- und Bahnfahrten eingesetzt.

(Bild: dpa, Rainer Jensen)

"Die Technik steht, jetzt müssen wir schauen, was für Handel und Kunden am besten funktioniert", meint Eric Tak von niederländischen ING-Bank. Mit einem schnellen Durchbruch rechnet der Banker allerdings nicht: "Es besteht sicher Nachfrage, aber das wird noch eine Weile dauern". "Mobile Payment ist inzwischen Realität", sagt Peter Vesco von der Deutschen Telekom, der in Partnerschaften den Weg zum Erfolg sieht. "Jetzt muss der Handel die Systeme aufbauen".

"Wir müssen vorsichtig sein", erklärt Nigel Shortt von der britischen Drogeriekette Boots die Perspektive des Handels. "Für welche Technik auch immer man sich entscheidet, bei einer Größe wie der unseren kostet das eine Menge Geld." Boots bietet zusammen mit Visa und Streamline kontaktlose Zahlungsmöglichkeiten in über 600 Drogeriemärkten in Großbritannien und Irland an.

Für alle stellt sich die Frage, wer das bezahlen soll. Der Kunde verspürt dazu nämlich nicht die geringste Lust, weiß Ali Salci vom türkischen Mobilfunker Turkcell, der im vergangenen Jahr ein umfangreiches Payment-System aufgebaut hat. "Der Kunde ist nicht bereit, für Mobile Payment extra zu bezahlen." Also müssen die beteiligten Parteien das untereinander ausmachen, was sich wiederum auf Verbraucherpreise auswirken kann.

Abgesehen davon muss das Mobile Payment noch die letzte Hürde nehmen und beim Kunden ankommen. Dass das kein Selbstläufer ist, weiß auch Nigel Shortt: "Wir wollen, dass die Leute etwas benutzen, von dem sie nicht wissen, ob sie es brauchen." Darüber hinaus muss die Industrie Sicherheitsbedenken aus dem Weg räumen. Die Zurückhaltung der Verbraucher ist hierzulande besonders groß. "Deutschland wird im internationalen Vergleich das Schlusslicht beim Bezahlen mit dem Handy sein", meint Bettina Horster vom eco-Verband. "Kunden und Handel werden keine Mehrkosten akzeptieren."

Auch die eco-Expertin beklagt den Mangel an intelligenten Anwendungen. Solange es nur darum geht, die Karte durch das Smartphone zu ersetzen, habe Mobile Payment kaum Vorzüge. Das Handy als Ersatz für die Plastikkarte könne nur der Anfang sein, meint auch Telekom-Mann Vesco. Die Industrie müsse bei der Entwicklung zukünftiger Lösungen "über den Tellerrand hinaus" schauen.

Dabei stellt sich noch ein größeres Problem: Mobile Payment steht noch ganz am Anfang, doch schon ist die Landschaft unübersichtlich. Alle wollen mitspielen und bringen eigene Ökoysteme auf den Markt. Der Verbraucher verliert angesichts der verschiedenen Lösungen den Überblick – und das Interesse. Horster hält das für tödlich: "Erst wenn ein Big Player wie Amazon, Apple, Google, die Deutsche Telekom, Vodafone, O2 oder die Visa- oder Mastercard-Organisation eine durchgängige Lösung für Mobile Payment anbietet, gibt es eine Chance." (vbr)