Generalsekretär des Anti-Piraterie-Verbandes AEPOC unter Piraterie-Verdacht [Update]

Davide Rossi, Generalsekretär der "European Association for the Protection of Encrypted Works and Services", soll in das Visier italienischer Strafverfolger geraten sein. Sie ermitteln wegen Smartcards zum illegalen Empfang von Pay-TV-Kanälen.

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Von
  • Nico Jurran

Die italienische Polizei hat nach Angaben der sizilianischen Tageszeitung "La Sicilia" einen erfolgreichen Schlag gegen eine Gruppe ausgeführt, die Smartcards hergestellt und vertrieben haben soll, mit denen sich Pay-TV-Kanäle illegal empfangen lassen. Im Rahmen der "Smart House" genannten Operation seien dem Bericht zufolge 3000 illegale Smartcards, 2000 Geräte zum Klonen der Karten, 102 Rechner sowie 50.000 Euro in bar beschlagnahmt worden.

Insgesamt soll es laut der Zeitung 133 Verdächtige geben, wobei auch gegen mutmaßliche Täter in Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Polen und Malta ermittelt worden sei. Die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Siracus bereite mittlerweile gegen 26 Personen Anklagen vor, gegen weitere 37 Verdächtige im Ausland seien Haftbefehle ausgestellt worden.

Besondere Brisanz bekommt der Fall aber vor allem dadurch, dass laut "La Sicilia" zu den Verdächtigen auch Mitglieder einer Anti-Piraterie-Einheit der italienischen Polizei gehören. Außerdem soll sogar der italienische Rechtsexperte Davide Rossi, seines Zeichens Generalsekretär der Anti-Piraterie-Vereinigung "European Association for the Protection of Encrypted Works and Services" (AEPOC), zu den Verdächtigen zählen.

Mitglieder der AEPOC sind 31 Digital-TV- und Telekommunikationsunternehmen, darunter die Sender(gruppen) BSkyB, Groupe Canal+, Premiere und Sky Italia, die Receiverhersteller Humax, Pace, Philips und Sagem sowie die Anbieter von Verschlüsselungstechnik Conax, Nagravision und NDS. "La Sicilia" macht jedoch keine Angaben darüber, welche Vorwürfe Rossi konkret gemacht werden. Die deutsche Presseagentur der AEPOC kündigte gegenüber heise online eine Stellungnahme an.

Der Pay-TV-Sender Premiere bestätigte derweil, dass die deutsche Polizei zu Wochenbeginn eine Hausdurchsuchung bei einer Person durchgeführt hat. Der Verdächtige soll unter dem Pseudonym "Silencer" regelmäßig sogenannte Keys über das Internet verbreitet haben soll, die zum illegalen Empfang des Premiere-Programms benötigt wurden. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, wollte der Pay-TV-Sender keine weiteren Angaben machen.

Update:
Mittlerweile liegt heise online eine Stellungnahme von Herrn Prof. Davide Giulio Rossi vor. Darin erklärt er, mit nur einem der beschuldigten Hacker "auf monatlicher Basis Telefon- und E-Mail-Kontakt" gehabt zu haben. Er habe ihm niemals ermuntert, Piraterie zu betreiben oder irgendein Zugangssystem anzugreifen. Der betreffende Mann habe Rossi "stets versichert, dass er mit keiner Organisation zu tun habe und dass er keine Straftaten begehe". Rossi gibt weiterhin an, nur aus der Zeitung von den 132 weiteren Verdächtigen erfahren zu haben, von diesen aber niemanden zu kennen.

Rossi will mit dem Beschuldigten und anderen, bei denen keine Hausdurchsuchung stattgefunden hätten, nur gesprochen haben, um die technischen Deatils hinter der Piraterie zu verstehen und dadurch die Leistungsfähigkeit der verfügbaren Sicherungssysteme besser einschätzen zu können. Dies sei eine notwenige Aktivität, um Piraterie zu verstehen und zu bekämpfen. Rossi ist nach eigenen Angaben Verfasser des Artikels des italienischen Urheberrechtsgesetzes aus dem Jahre 2000, auf dessen Grundlage "hunderte von Piraten verurteilt wurde". Allerdings müssten die Gesetze auf den neuesten Stand gehalten werden, um im Hinblick auf die technischen Weiterentwicklungen bei der Piraterie effizient zu bleiben. Sämtliche Informationen, die er erhalten habe, habe er unverzüglich an die privaten und öffentlichen Stellen weitergegeben, mit denen er zusammenarbeitet.

Nach den Dokumenten, die ihm die Staatsanwaltschaft zugeschickt habe, werde er auch nicht beschuldigt, "Mitglied einer (kriminellen) Organisation" gewesen zu sein, sondern ein "externer Unterstützer". Hausdurchsuchungen hätten weder in seinen Privat- noch in seinen Büroräumen stattgefunden. Der AEPOC-Generaldirektor ist davon überzeugt, von den Vorwürfen freigesprochen zu werden, geht aber aufgrund der "mangelden Leistungsfähigkeit des italienischen Justizsystems" davon aus, dass dies einige Zeit dauern wird. Er habe nicht zu verbergen und werde mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten, so Rossi weiter. Weitere Stellungnahmen will der Jurist nicht abgeben. (nij)