Schneller Brüter zum Jahrestag

Japans Atomlobby beschenkt sich zum Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima mit einem Konzept für einen neuen Schnellen Brüter. Aber auch an anderen wenig erneuerbaren Alternativen zum Atom wird gearbeitet.

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Von
  • Martin Kölling

Japans Atomlobby beschenkt sich zum Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima mit einem Konzept für einen neuen Schnellen Brüter. Aber auch an anderen wenig erneuerbaren Alternativen zum Atom wird gearbeitet.

Japan fühlt sich manchmal unwirklich an. Vorige Woche stand ich noch einen Steinwurf vom Reaktor 4 des Katastrophen-AKW Fukushima 1 entfernt. Am Montag fanden die Gedenkfeiern für die 19.000 Opfer von Erdbeben und Tsunami und die Vertriebenen der Atomkatastrophe statt. Und am Dienstag flattert mir dann ein weiterer Beweis in die Mailbox, dass Japans Atomlobby unverdrossen ihren Traum vom nuklearen Brennstoffkreislauf weiterträumt.

Ein Team an der Waseda-Universität hat am Dienstag das Konzept für einen Brutreaktor vorgestellt, der mit Leichtwasser und nicht mit gefährlichem flüssigen Natrium gekühlt wird. Es sei der erste dieser Art weltweit und der Durchbruch für die Kommerzialisierung der Brütertechnik, jubelt Professor Yoshiaki Oka. Hallo?

Es gab immer wieder Ideen, die Brütertechnik aufleben zu lassen – etwa beim Laufwellenreaktor, über den Technology Review 2009 berichtet hat. Aber Japan ist nahezu das einzige Land, in dem die Forschung an der Brütertechnik noch heute ein nationales Großprojekt ist. Deren Kernidee ist zwar bestechend: Ein schneller Brüter produziert bei der Stromerzeugung mehr spaltbares Material, als hineingegeben wurde. Theoretisch könnte Japan damit seinen nuklearen Brennstoffbedarf alleine decken und sich vom Import fossiler Brennstoffe unabhängig machen. Doch die Brütertechnik gilt selbst vielen Atomfans als zu gefährlich: Sie sei zu Hightech, um durch den Menschen beherrschbar zu sein, verriet mir ein führender südkoreanischer Atomwissenschaftler einst seine Überzeugung.

Aber Oka glaubt, eines der Risiken in den Griff bekommen zu haben: Bisher werden die Reaktoren mit Natrium gekühlt, das schon beim Kontakt mit Luftfeuchtigkeit in Brand geraten kann (wie ein schwerer Natriumbrand in Japans Versuchsreaktor Monju in den 90er Jahren gezeigt hat). Auch Toshibas Mini-Brüter mit dem "4S-System" (4S steht bei Toshiba für "super-safe, small, simple"), dessen Marktstart die Japaner 2008 noch für Ende diesen Jahrzehnts versprachen, nutzt Natrium. Japans Ministerpräsident Shinzo Abe und seine Liberaldemokratische Partei mögen die Lebenszeichen der Atomindustrie freuen. Sie wollen aus dem Atomausstieg wieder aussteigen, den die Vorgängerregierung beschlossen hat. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn die neue Technik in Japan nicht umgesetzt würde. Denn 70 Prozent der Japaner sind wenigstens für einen schrittweisen Abschied von der Atomkraft.

Das sagt sich wohl auch die Regierung. Diversifizierung der Energiequellen ist dabei das Thema. Und auch da gab es am Dienstag einen Durchbruch zu vermelden. Japan fördert weltweit das erste Mal Gas aus Methanhydrat im Meeresboden. Auf diese Gasvorkommen, die im hohen Druck in der Tiefsee zu Eis erstarrt sind, setzen Japans Wirtschaftsplaner ganz besonders große Hoffnungen. Denn dank der geografischen Lage der Inseln, die auf der Kontaktzone mehrerer Platten sitzen, hat Japan nicht nur starke Erdbeben im Überfluss, sondern auch verdammt tiefe Ozeane.

Wie der Wirtschafts- und Handelsminister Toshimitsu Motegi am Dienstag mitteilte, konnte ein japanisches Team im Rahmen einer Probebohrung ein Feld vor der Küste von Aichi anbohren und erstmals Gas fördern. Der Aufwand ist groß. Das Seebett liegt 1000 Meter tief. Und von dort mussten die Forscher noch mal mehr als 300 Meter in den Boden drillen, um an das Reservoir zu gelangen. Aber dafür winkt auch ein Lohn. Das angebohrte Vorkommen soll Japans derzeitigen Gasbedarf für rund zehn Jahre decken.

Doch auch in nachhaltige Energiequellen wird die Regierung weiter Geld stecken. Der Umweltminister Nobuteru Ishihara hat angekündigt, bis 2020 die Windkraft auf eine Million Kilowatt auszubauen, 40 Mal mehr als heute. Das Vorhaben ist dabei mal wieder japanisch ambitioniert. Weil der Meeresboden so schnell abfällt, hat Japan nur wenig flache Gewässer, in denen die Windmühlen in den Grund gerammt werden könnten. Die Japaner setzen daher auf schwimmende Windparks.

Das wiederum weckt in mir die Hoffnung, dass sich auch die Idee einer schwimmenden künstlichen Insel mit neuem Leben füllt, die sich der Baukonzern Shimizu 2009 ausgedacht hatte (ich berichtete hier darüber). Auf jedem dieser Flöße sollen 50.000 Menschen in einem ein Kilometer hohen Turm leben, arbeiten und Gemüse ernten. Die Windmühleninseln könnten da ja ein erster Schritt sein, die notwendige Technik für den Inseluntergrund zur Serienreife zu entwickeln. Ich könnte mir schon vorstellen, meinen Lebensabend mit Fruchtcocktails in luftiger Höhe und Bootsfahrten im Ozean ausklingen zu lassen. (bsc)