Craig Venters Labor soll das erste künstliche Chromosom geschaffen haben

Der umstrittene Genomforscher Venter will nach Medienberichten demnächst die "Schaffung des ersten künstlichen Lebewesens auf der Erde" für sich in Anspruch nehmen.

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Von
  • Florian Rötzer

Der umstrittene Genforscher Craig Venter, der durch das schnelle Sequenzierungsverfahren für das menschliche Genom ebenso bekannt wurde wie für das umfassende Patentieren der genetischen Informationen, ist eine der maßgeblich treibenden Kräfte in der Forschungsrichtung der "Synthetischen Biologie". Damit soll Leben künstlich entworfen und hergestellt werden ( Leben 2.0 oder die Herstellung von "Einzellerfabriken").

Venter verfolgt schon seit Jahren das Minimalgenomprojekt und hatte Anfang Juni für das erste Produkt einen Patentantrag eingereicht. Dabei handelt es sich um das "Mycoplasma laboratorium", dessen abgespecktes Genom aus 30-130 weniger Genen als beim natürlich vorkommenden Bakterium Mycoplasma bestehen. Solche Bakterien könnten dann als Grundlage dafür dienen, sie mit zusätzlichen Genen zu spezialisierten Einzellerfabriken für bestimmte Aufgaben zu machen. Venter denkt etwa an die Herstellung von Bio-Treibstoffen.

Ende Juni [:http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25610/1.html meldete] das J. Craig Venter Institute bereits den nächsten Durchbruch. Nach der Darstellung der Wissenschaftler konnten sie ein ganzes Genom mit 1,08 Millionen Basenpaaren aus einem Bakterium herausholen und in ein anderes einpflanzen. Als Spender fungierte Mycoplasma mycoides, als Empfänger Mycoplasma capricolum. Nun scheinen die Wissenschaftler einen weiteren Erfolg erzielt zu haben, allerdings muss man bei solchen Meldungen skeptisch sein, denn es gehr hier nicht nur um die Erzielung von Aufmerksamkeit, sondern natürlich auch um viel Geld für denjenigen, der im künftig vermutlich lukrativen Bereich der Synthetischen Biologie die Nase vorne hat.

Wie der Guardian berichtet, wird Venter demnächst die Schaffung des ersten künstlichen Lebewesens auf der Erde für sich in Anspruch nehmen. Wissenschaftler aus seinem Labor hätten unter der Leitung des Nobelpreisträger Hamilton Smith das erste künstliche Chromosom aus künstlich hergestellten Bestandteilen mit 381 Genen und 580.000 Basenpaaren realisiert, erzählte er der britischen Zeitung. Mit dem neuen Chromosom wurde das abgespeckte Genom des Bakteriums Mycoplasma genitalium rekonstruiert und so das künstliche Genom des Mycoplasma laboratorium geschaffen, das dann in ein weiteres Bakterium eingesetzt werden soll, wie man das mit natürlichen Genomen schon geschafft hat. Die Wissenschaftler erwarten, dass das Chromosom dann die Kontrolle über die Bakterienzelle übernehmen werde, wodurch ein, sich replizierendes neues Lebewesen, zumindest was die Herkunft der Gene betrifft, entstehen würde.

Venter erklärte, er sei sich "100 Prozent sicher", dass dies auch in diesem Fall funktionieren werde, und sprach auch gleich davon, dass es sich dabei um "einen sehr wichtigen philosophischen Schritt in der Geschichte unserer Gattung handelt. Wir gehen vom Lesen unseres genetischen Codes zur Möglichkeit über, ihn zu schreiben. Das gibt uns die hypothetische Möglichkeit, zuvor niemals vorgestellte Dinge machen zu können". Venter hofft, dass seine Produkte der Synthetischen Biologie gesellschaftliche Anerkennung finden, wenn sie nützliches leisten, beispielsweise CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, um die Klimaerwärmung zu bekämpfen, oder Bio-Sprit aus Zuckerrohr herstellen. Venter würde gerne als Revolutionär in die Wissenschaftsgeschichte eingehen. Bescheidenheit ist nicht seine Sache. "Wir beschäftigen uns mit großen Ideen", sagt er. "Wir versuchen, ein neues Wertesystem für das Leben zu schaffen. Wenn man mit solchen Dimensionen zu tun hat, kann man nicht erwarten, dass jeder glücklich sein wird." (fr)