Panspermia über Sri Lanka

Eine Gruppe von Astrobiologen will in den Resten des Polonnaruwa-Meteoriten Belege für Lebensformen gefunden haben, die nicht von der Erde stammen können.

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  • KFC

Eine Gruppe von britischen Astrobiologen will in den Resten des Polonnaruwa-Meteoriten vom Dezember 2012 Belege für fossile Lebensformen gefunden haben, die nicht von der Erde stammen können.

Als Mitte Februar die Reste eines Apollo-Asteroiden mit enormem Getöse über der russischen Stadt Tscheljabinsk verglühen, ist die Aufregung groß. Tagelang beherrscht das Ereignis die Schlagzeilen der Medien, auch dank eines Youtube-Videos aus einer Autokamera, die den Weg der gleißenden Trümmerstücke durch den Himmel festhält. Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit ist acht Wochen zuvor bereits ein Meteorit nahe der srilankischen Stadt Polonnaruwa herabgestürzt. Doch wenn es nach Forschern der Universitäten in Cardiff und Buckingham geht, ist dieser Meteorit ein Sensation: Sie haben in den Überresten biologische, algenartige Strukturen ausgemacht, die auf Lebensformen im Weltall hindeuten könnten.

Anders als der Tscheljabinsk-Meteor durchschneiden die Feuerbälle am 29 Dezember 2012 nicht nur den Abendhimmel über Zentral-Sri Lanka. Die glühenden Brüchstücke regnen förmlich auf die ländliche Umgebung nieder. Augenzeugen berichten von beißendem Teergeruch in der Luft.

In den folgenden Tagen sammelt die örtliche Polizei zahlreiche Bruchstücke ein und übergibt sie dem Medizinischen Forschungsinstitut des srilankischen Gesundheitsministeriums in der Hauptstadt Colombo. Als den Mitarbeitern seltsame Muster in den Gesteinsbrocken auffallen, informieren sie Wissenschaftler um den srilankischen Astronomen Chandhra Wickramasinghe im walisischen Cardiff.

Wickramasinghe ist auf dem Gebiet der Astrobiologie kein Unbekannter. In seinem Buch „Interstellar Grains“ stellte er 1967 die These auf, dass der Ursprung des Lebens in interstellaren Wolken liegt. Kometen könnten Leben irgendwann auf die Erde gebracht haben, wo es sich dank geeigneter Bedingungen weiterentwickelte. Diese „Panspermia“-Hypothese machte Wickramasinghe später gemeinsam mit seinem Doktorvater, dem britischen Astronomen Fred Hoyle, populär.

Nun hat das Team um Wickramasinghe seine Untersuchungsergebnisse präsentiert. Bei den Mustern in den Meteoritenbröckchen handele es sich um „fossilisierte biologische“ Strukturen, schreiben die Forscher in dem Fachblatt Journal of Cosmology. Analysen hätten gezeigt, dass eine Kontamination mit irdischen Lebensformen ausgeschlossen werden könne.

Von den insgesamt 628 Gesteinsbrocken, die ihnen die srilankische Behörde übergab, konnten die Forscher drei als mögliche Meteoritenfragmente identifizieren. Die zeigen ungewöhnliche Eigenschaften.

Ein Brocken etwa weist eine Dichte von weniger als einem Gramm pro Kubikzentimeter auf. Das ist geringer als in sämtlichen bekannten Steinmeteoriten vom Typ kohliger Chondrit. Seine teilweise verschmolzene Kruste sehen die Wissenschaftler als Beleg für eine Erhitzung in der Erdatmosphäre. Ein Kohlenstoffgehalt von über vier Prozent und eine Vielzahl organischer Verbindungen deute daraufhin, dass es sich bei dem Meteoriten um einen kleinen Kometen handelte.

Das Forscherteam machte zudem elektronenmikroskopische Aufnahmen von den Strukturen im Gestein. Eine davon hat eine Ausdehnung von 100 Mikrometern und ähnelt laut den Wissenschaftlern Fossilien einer ausgestorbenen Form von so genannten Dinoflagellaten. Heutige Arten bilden einen Großteil der organischen Masse in den Ozeanen.

Eine andere Struktur stellt den Wissenschaftlern zufolge den gut erhaltenen Überrest einer Art Geißeltierchen dar. Mit einem Durchmesser von zwei Mikrometern und einer Länge von 100 Mikrometern wäre es verglichen mit irdischen Geißeltierchen enorm groß. Das könnte daran liegen, so die Forscher, dass es sich in einer Umgebung mit niedriger Gravitation und niedrigem Druck gebildet habe.

Das Team untersuchte auch die Elementhäufigkeiten in den Gesteinsproben. Sie enthalten nur geringe Konzentrationen von Stickstoff – für die Astrobiologen ein sicheres Indiz, dass eine Kontamination mit irdischem Leben ausgeschlossen werden kann. Denn hiesige Lebensformen enthalten deutlich mehr Stickstoff.

All diese Befunde seien „ein klarer und überzeugender Beleg, dass diese offensichtlich alten Überreste von Meeresalgen, die im Innern des Polonnaruwa-Meteoriten gefunden wurden, in dem Gestein selbst ansässig waren“, lautet die Schlussfolgerung des Teams. Die Ergebnisse stützten die Panspermia-Theorie.

Dass diese Interpretation nicht ohne Widerspruch bleibt, ist klar. Andere Wissenschaftler hatten bereits zuvor vermutet, dass die Brocken das Ergebnis eines Blitzeinschlags sein könnten. Das Team um Wickramasinghe hält dem entgegen, dass dabei Temperaturen entstanden wären, die jede biologische Form zerstört hätten. Ob die Schlussfolgerungen standhalten, müssen nun weitere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Meteoritenbrocken ursprünglich von der Erde selbst stammen. Sie könnten bei einem früheren Asteroiden-Einschlag in den Weltraum geschleudert worden sein und dabei biologisches Material mitgenommen haben. Ebenso könnte es natürlich sein, dass die untersuchten Strukturen überhaupt nicht biologischen Ursprungs sind.

Zumindest legt die Gruppe um Wickramasinghe gegenüber einem Paper vom Januar nach. Den ehemaligen NASA-Mitarbeiter und Astronomen Phil Plait, Betreiber des Badastronomy-Blogs, überzeugt auch die neue Veröffentlichung nicht. Im Slate Magazin kritisiert er die Arbeit des Wickramasinghe-Teams scharf. Die Panspermia-Hypothese sei zweifellos interessant. Aber sie hätten "nicht genug kritische Tests angestellt, um die Kühnheit ihrer Behauptung zu belegen“, schimpft Plait. "Außerordentliche Behauptungen verlangen außerordentliche Belege."

Das Paper:

Wallis, J. et al: "Polonnaruwa Meteorite: Oxygen isotope, Crystalline and Biological Composition“, Journal of Cosmology, 5.3.2013.

(nbo)