SIS II beginnt am 9. April trotz weiterhin vorhandener Mängel

Obwohl es weiterhin Mängel gibt, wird SIS II, das Schengen-Informationssystem der II. Generation, am 9. April eingeführt. Wegen der Bedenken hat sich Deutschland bei der Entscheidung enthalten.

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Von
  • Detlef Borchers

SIS II, das Schengen-Informationssystem der II. Generation, wird nach einem Beschluss der EU-Kommission am 9. April 2013 offiziell beginnen. Aus heise online vorliegenden Dokumenten geht hervor, dass Deutschland aufgrund der hohen Anzahl von Fehlermeldungen im laufenden Testbetrieb erhebliche Bedenken zur Leistungsfähigkeit des Systems hatte und sich der Stimme enthielt.

SIS II ist eine umfassende Fahndungsdatenbank, in die alle Mitglieder der 26 Schengen-Länder plus Europol und Eurojust als europäische Fahndungsinstitutionen Informationen einspeisen und bei Kontrollen abfragen. Die Datenbank ersetzt damit die früher übliche Einzelkontrolle bei der Einreise in einen Staat und ist ein wichtiger Bestandteil der europäischen Freizügigkeit. Im Unterschied zum Vorläufer SIS I können in SIS II nicht nur Personendaten gespeichert werden, sondern auch Lichtbilder und Fingerabdrücke sowie zur Fahndung ausgeschriebene Sachen wie PKW, Schusswaffen, Container oder ID-Papiere.

Ursprünglich sollte SIS II das veraltete SIS I (bzw. die zwischenzeitliche Fortentwicklung SIS I+) im Jahr 2007 ablösen und in der gesamten Entwicklung nicht mehr als 20 Millionen Dollar kosten. Derzeit betragen die aufgelaufenen Entwicklungskosten nach Angaben der EU-Kommission aber 143 Millionen Euro, während Fachleute nach internen Schätzungen sogar bei 160 Millionen angelangt sind. Wie viel der ab dem 9. April laufende Betrieb von SIS II kosten wird, ist unbekannt. Das alte SIS I kostete rund 12 Millionen Euro im Jahr.

Während SIS II allgemein als großer Fortschritt in der Fahndungstechnik angesehen wird, haben deutsche Fachleute nach wie vor Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Systems. So soll es noch Anfang März mehrere 10.000 Fehlermeldungen bei der Konvertierung der Datenbestände von SIS I+ gegeben haben, weil die Hashwerte zwischen altem Datenbankabzug und neuem Datenbankinhalt nicht wie gefordert übereinstimmten. Angeblich soll eine falsche Hashwertdatei zusammen mit den Inhalten von SIS I geschickt worden sein.

In einer heise online vorliegenden eigenen Stellungnahme begründen deshalb die deutschen Fachleute ihre Enthaltung bei der Abstimmung zur Einführung für den 9. April. Das neue System sei weder ausreichend noch umfassend getestet worden und mit unkalkulierbaren Risiken behaftet, die das Vertrauen der Bürger in offene Grenzen nachhaltig beschädigen könnten. Ein Notfallplan für den Fall eines generellen Systemausfall sei nicht vorhanden, zudem sei es nicht mehr möglich, im Notfall auf das alte SIS I-System zuzugreifen. Technisch erfülle das neue System nicht die in den Artikeln 71(3)(c) und 55(3)(c) der Schengen II-Verträge (Ratsbeschluss 2007/533/JHA) aufgeführten Bedingungen. So würden etwa Alarm- und Eilmeldungen nicht innerhalb des gesetzlich festgelegten Zeitlimits von vier Minuten bei allen Mitgliedern ankommen. Obwohl man grundsätzliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit des gesamten Systems habe, enthalte sich Deutschland der Stimme in Anerkennung des Mehrheitsvotums der Schengen-Mitgliedsstaaten. (mho)