Leben ohne Amazon

Die Dokumentation über Amazon hat mich und viele andere Kunden schockiert. Dort kann ich nicht mehr einkaufen. Amazon zu ersetzen, ist aber gar nicht so leicht. Aber es geht, wenn man will.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Die Dokumentation über Amazon hat mich und viele andere Kunden schockiert. Dort kann ich nicht mehr einkaufen. Amazon zu ersetzen, ist aber gar nicht so leicht. Aber es geht, wenn man will.

Haben Sie auch die ARD-Dokumentation über Amazon gesehen? Falls nicht - schauen Sie mal rein. Sie werden schockiert sein.

In "Ausgeliefert" schildern die Journalisten Diana Löbl und Peter Onneken zu welchen Praktiken der beliebte Versandhändler greift: Für sein letztes Weihnachtsgeschäft hat Amazon 5000 Wanderarbeiter aus ganz Europa angeworben. Angestellt wurden sie dann aber von einer Leiharbeitsfirma, die den Lohn drückt. Das wirklich Schockierende aber sind die Bedingungen für die Arbeiter: In Bussen werden sie angekarrt, müssen stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen, werden zu mehreren pro Zimmer in Hotels verfrachtet und von einem dubiosen Sicherheitsdienst bewacht und schikaniert. Die Angestellten der "H.E.S.S. Security", die auch Kontakte zur rechtsextremen Szene pflegten, verschafften sich ungefragt Zutritt zu den Räumen der Leiharbeiter, schnüffelten in ihren Privatsachen und bedrohten schließlich sogar die ARD-Reporter.

Die Reportage sorgte für großen Wirbel. Ein Shitstorm ergoss sich über Amazons Facebook-Seite. Erzürnte Kunden löschten ihre Konten, drohten mit Boykott des Versandhändlers. Amazon reagierte, trennte sich von dem Sicherheitsdienst und der Firma, die die Unterbringung der Leiharbeiter managte. Trotzdem hält der Konzern weiter an der Leiharbeit fest und will nun sogar seinen eigenen Betriebsrat verklagen. Warum? Der hatte seine Zustimmung verweigert, weil seiner Meinung nach die Leiharbeitsfirma, die Amazon einsetzen will, nicht seriös ist.

Ich wusste, das Amazon keine berauschenden Löhne zahlt, dass seine Arbeiter schuften müssen. Aber all diese Praktiken haben eine neue Qualität. Für mich war klar: Bei Amazon kann ich guten Gewissens nicht mehr einkaufen.

Im Freundeskreis hatten wir Diskussionen über die Reportage. Die häufigste Reaktion war: Lass es nicht wahr sein. Denn wir alle schätzen Amazon, schätzen seine Kundenfreundlichkeit, seinen perfekten Service. Kein anderer Versanddienst hat solch ein umfangreiches Angebot, liefert so schnell und nimmt so unkompliziert Waren auch wieder zurück, wenn man unzufrieden ist. Kann man zu seinen Kunden nur so freundlich sein, wenn man so unfreundlich zu seinen Angestellten ist, fragte ich mich.

Amazon ist so gut, dass man es aus seinem Leben kaum noch wegdenken kann - weil es durch Amazon so bequem geworden ist. Aber es gibt Alternativen: Bücher kann man auch bei Bücher.de kaufen, oder bei B.O.L., diesen längst vergessenen Konkurrenten. Kleidung gibt es bei Zalando, Otto oder besser: im Avocadostore, Elektronik bei redcoon. Bei meinpaket.de, einem Angebot der DHL, können Shops direkt inserieren. Oder man nutzt die Google-Shopping-Suche.

Ja, ich weiß. Die DHL steht auch wegen Lohndumpings in der Kritik und soll im Ausland Arbeitnehmerrechte verletzen. Und ich weiß nicht, ob die Arbeitsbedingungen bei bücher.de oder Zalando besser sind als bei Amazon. In der globalisierten Welt von heute ist es schwer, einhundertprozentig sauber zu konsumieren.
Weil die anderen aber womöglich auch schlecht sein könnten, kann das nicht als Argument dienen, untätig zu bleiben. Es geht erst einmal darum, ein Zeichen zu setzen. Eine Abkehr von Amazon ist zugleich auch eine Mahnung für die Konkurrenz. Sollte rauskommen, dass sie sich genauso verhalten, wird auch ihnen gleiches widerfahren.

Man kann einen Anfang machen. Und wer noch weiter gehen will: Auf fairtrade-deutschland.de gibt es eine Liste mit Shops, die garantiert sauber sind.

Na klar, es ist mühselig nun für jedes Produkt, das man früher einfach bei Amazon in den Warenkorb gelegt hat, erst einmal einen fairen Shop suchen zu müssen. Und es wird sicherlich auch mehr kosten als bei Amazon. Das sollte es uns wert sein. Geiz ist nämlich nicht mehr geil, wenn dafür Menschen leiden müssen. (jlu)