Bundesverfassungsgericht schränkt Speicherung von DNA-Profilen ein

Auf Bewährung verurteilt und trotzdem wird das DNA-Profil gespeichert, darf das sein? Laut Bundesverfassungsgericht nur dann, wenn die Abweichung von der im Rahmen der Bewährungsentscheidung getroffenen positiven Prognose im Einzelnen genau begründet ist.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am heutigen Mittwoch zugunsten zweier Kläger entschieden, die Verfassungsbeschwerde gegen Anordnungen zur Speicherung ihrer DNA-Profile eingelegt hatten. Beide Personen waren zuvor von Amtsgerichten zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt worden. In dem einen Fall ging es um "Unterschlagung in Tateinheit mit Verletzung des Briefgeheimnisses in Tatmehrheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung". Das Amtsgerichts Augsburg verhängte hier eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In dem anderen Fall verurteilte das Amtsgericht Hannover einen jungen Mann wegen "Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei" zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde.

In beiden Fällen ordneten die Amtsgerichte die Entnahme von Speichel- oder Blutproben und die Speicherung des genetischen Fingerabdrucks auf Grundlage von Paragraph 81g Abs. 1 StPO an. Darin heißt es: "Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen."

Beide Amtsgerichte begründeten ihre Anordnungen zur Erfassung und Speicherung des genetischen Fingerabdrucks damit, dass Grund zu der Annahme bestehe, dass gegen die Betroffenen künftig erneut "Strafverfahren von erheblicher Bedeutung" zu führen seien. Im Hannoverschen Fall wurde erklärt, der Betroffene sei bereits dreimal strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden, darunter in zwei Verfahren wegen Diebstahls. Dies spreche "für eine geringe Hemmschwelle gegenüber der Verletzung jeglicher Rechtsgüter". Im Augsburger Fall hieß es, der Betroffene habe bereits eine Vielzahl von Straftaten begangen und es sei wegen "der Art der Tat, wegen der Ausführung der Tat und wegen der Persönlichkeit des Betroffenen" damit zu rechnen, dass er bei weiteren Straftaten DNA-Spuren hinterlasse. Eingelegte Rechtsmittel der Betroffenen blieben bei Amts- und Landgerichten ohne Erfolg.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erklärte heute jedoch, dass die Beschlüsse der Amts- und Landgerichte die Betroffenen in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen. Zwar habe das Verfassungsgericht die Vorschriften über den genetischen Fingerabdruck bei verurteilten Straftätern bereits früher grundsätzlich gebilligt, doch dürften Speicherungen von DNA-Profilen nur nach "umfangreicher und gründlicher Prüfung des Einzelfalls" durchgeführt werden. Und eine solche Prüfung sei in den beiden Verfassungsbeschwerde-Fällen nicht zu erkennen gewesen. In die Würdigung sei insbesondere "eine Strafaussetzung zur Bewährung" einzubeziehen, verdeutlichen die Richter. Eine Bewährungsstrafe schließe zwar nicht automatisch eine "negative Prognose" aus, doch müsse das Gericht "im Einzelnen" begründen, warum es von einer im Rahmen der Bewährungsentscheidung getroffenen positiven Prognose abweicht und die Speicherung des genetischen Fingerabdrucks anordnet. (pmz)