Pfiffe und Buhrufe in Bochum für Nokia-Bilanz

Die Nokia-Rekordgewinne haben am Donnerstag beim Bochumer Handy-Werk, das geschlossen werden soll, für wütende Reaktionen gesorgt. "7,2 Milliarden Reinerlös - damit könnten die über 100 Jahre unsere Lohnkosten zahlen."

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  • dpa

Die Nokia-Rekordgewinne haben am Donnerstag beim Bochumer Handy-Werk, das geschlossen werden soll, für wütende Reaktionen gesorgt. Nokia hat am heutigen Donnerstag eine Steigerung des Umsatzes im Jahr 2007 um 24 Prozent auf 51,056 Milliarden Euro und des Jahres-Nettogewinns um 67 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro bekannt gegeben. Der Marktanteil von Nokia auf dem weltweiten Handy-Markt stieg laut Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo auf 40 Prozent: "Wir wollen jetzt noch mehr als diese 40 Prozent Weltmarktanteil", meinte er bei der Vorstellung der Bilanzen.

"Nach so einem beeindruckenden Quartal ist es ein gutes Gefühl, hier Fragen zu beantworten", erklärte Kallasuvo auf der Bilanzpressekonferenz. Nokias "fantastisches viertes Quartal" habe dazu beigetragen, dass "2007 insgesamt zu einem Jahr mit starkem Wachstum und erhöhter Rentabilität für uns wurde".

Diese Freude mögen aber nicht alle derzeit noch bei Nokia Beschäftigten teilen: In Bochum wurden die Bilanzzahlen von Nokia ganz anders kommentiert. "7,2 Milliarden Reinerlös – damit könnten die über 100 Jahre unsere Lohnkosten zahlen", rief die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach bei einer "alternativen Bilanzpressekonferenz" zum mittäglichen Schichtwechsel. Die Bochumer Nokianer hätten durch Sonderschichten und Sonntagsarbeit erheblich zum Erfolg beigetragen. "Der Gewinn ist auch unser", rief sie unter Pfiffen und Buhrufen der Beschäftigten.

Unmittelbar nach Abschluss dieses von Kallasuvo als so erfolgreich bezeichneten vierten Quartals hatte Nokia die Schließung der Handy-Fabrik in Bochum mit Kostenvorteilen am neuen rumänischen Standort Jucu bei Cluj begründet. Vor Analysten sagte Kallasvuo: "Leider sind die Kosten für Arbeit einschließlich Nebenkosten in Deutschland nicht konkurrenzfähig für die industrielle Massenfertigung von Nokia-Produkten." Er verstehe, dass die Entscheidung "große Betroffenheit" ausgelöst habe, Nokia wolle in Deutschland weiterhin bei Aktivitäten für Forschung und Entwicklung investieren.

"Ich will mich dafür entschuldigen, dass wir dazu kommen mussten, eine so schmerzliche Entscheidung zu treffen. Sie basiert aber auf soliden Argumenten", betonte Kallasvuo Er kündigte baldige Gespräche mit der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ankündigte, um "innovative Lösungen für die Region Bochum zu finden". Nokia wolle zeigen, dass das Unternehmen ein "verantwortungsbewusster Teil der Gesellschaft" sei.

Die Gewerkschaft setze auf neue Gespräche mit der Geschäftsführung, sagte die IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm. "Der Imageschaden für Nokia tut denen jetzt schon weh. Wir werden nachsetzen." Die SPD in Nordrhein-Westfalen und die Linke bezeichneten die Rekordergebnisse von Nokia als "Schlag ins Gesicht" der Bochumer Beschäftigten. "Die Wut in Bochum, NRW und ganz Deutschland über Nokia ist groß", schimpfte SPD-Generalsekretär Michael Groschek.

Die Kontroverse um die geplante Schließung des Bochumer Nokia-Werks wird in der SPD zudem zur Chefsache. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck will am kommenden Montag den Unterbezirksparteitag der SPD Bochum besuchen, bei dem es vor allem um die Schließung geht. Beck wolle sich dazu in einer Rede äußern, teilte der SPD-Parteivorstand am Donnerstag ohne weitere Einzelheiten mit.

Zur geplanten Schließung des Nokia-Werks in Bochum siehe auch:

(dpa) / (jk)