Unbestimmter Zustand

Wetten, dass Quantencomputer wirklich funktionieren? Der Amazon-Gründer Jeff Bezos und die CIA setzten 30 Millionen Dollar darauf.

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Wetten, dass Quantencomputer wirklich funktionieren? Der Amazon-Gründer Jeff Bezos und die CIA setzten 30 Millionen Dollar darauf.

Ist Geordie Rose ein Hochstapler? Oder einfach nur genial? Angst vor großen Auftritten kann er jedenfalls nicht haben: Im Februar 2007 trat der Gründer des kanadischen Unternehmens D-Wave Systems mit strahlendem Lächeln vor das vollbesetzte Auditorium des Museums für Computergeschichte im kalifornischen Mountain View – und verkündete, sein Unternehmen habe den ersten wirklich praxistauglichen Quantencomputer gebaut.

Quantencomputer sind der Traum eines jeden Computerwissenschaftlers und bisher eigentlich Stoff aus Science-Fiction-Romanen. Theoretisch können sie in einer Minute Probleme lösen, an denen konventionelle Computer Tausende von Jahren arbeiten. Der Grund: Ein klassisches Bit kann nur den Wert Null oder Eins haben, während Quantencomputer mit Qubits rechnen. Das sind überlagerte Quantensysteme (siehe Kasten S. 56), die beide Werte zugleich repräsentieren. Jede Rechenoperation, die auf ein Qubit angewendet wird, wirkt also gleichzeitig auf zwei Zahlenwerte – bei zwei Qubits sind es vier Werte, bei drei acht und so weiter. „Das ist so, als hätten sie nicht nur einen Prozessor, sondern würden mit Hunderttausenden von Prozessoren gleichzeitig rechnen“, sagt Fabian Hassler vom Institut für Quanteninformation in Aachen.

Aber bisher ist das eben nur Theorie. In der Praxis gab es bis dahin nur Demonstrationsprojekte im Labor: Aberwitzig komplizierte Apparaturen, die Stunden brauchen, um scheinbar triviale Aufgaben zu lösen, wie die Zerlegung der Zahl 15 in ihre Faktoren Fünf und Drei. Und nun kündigte Rose einen Quantencomputer an, mit dem man wirklich arbeiten können soll.

Das Problem war nur: Geordie Rose hatte nicht wirklich etwas vorzuweisen. Der D-Wave-Rechner stand in einem Labor in Vancouver, mit dem Rose über eine verschlüsselte Datenleitung kommunizierte. Und auch die Aufgaben, die dieser Rechner löste, brachten das Publikum nicht wirklich zum Staunen. Ob der D-Wave-Rechner ein echter Quantencomputer sei, könne er nicht beurteilen, spottete der MIT-Physiker Scott Aaronson nach der Vorführung in seinem Blog. Rechentechnisch sei die Maschine aber offensichtlich nicht nützlicher „als ein Sandwich mit Roastbeef“.

Erst im Oktober 2011, vier Jahre später, veröffentlichte das Unternehmen ein von unabhängigen Fachleuten begutachtetes Paper im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature“, in dem es Details und Messergebnisse preisgab. Allerdings nur für ein einzelnes Qubit. Immerhin, nach dieser Veröffentlichung und einem Laborbesuch bei D-Wave im Februar 2012 zeigte sich Aaronson etwas milder. Konstruktiv sei das, was D-Wave geleistet habe, „ziemlich beeindruckend“, sagt der Quantenphysiker, bleibt aber misstrauisch. „Die Beweislast liegt bei D-Wave. Und die haben sie immer noch nicht eingelöst.“

Nicht nur Aaronson, fast die gesamte Fachwelt bezichtigte D-Wave nicht ohne Grund der Hochstapelei. Denn am Bau des alltagstauglichen Sci-Fi-Rechners beißen sich Forschungsgruppen auf der ganzen Welt seit rund 30 Jahren die Zähne aus. Die quantenmechanischen Eigenschaften, die diese Rechner so irrsinnig schnell machen, haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, Mimosen zu sein: Schon die winzigste Störung zerstört die Qubits. Im Labor müssen daher alle mechanischen Vibrationen besonders gedämpft, Laserfrequenzen elektronisch stabilisiert und magnetische Störfelder abgeschirmt werden.

Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, setzt D-Wave auf ganz spezielle Quantensysteme: Leiterschleifen aus Niob. Kühlt man diese Schleifen mit Helium, werden sie supraleitend, verlieren also jeden elektrischen Widerstand. Prinzipiell kann der Strom in einer solchen Schleife sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn fließen. Jede supraleitende Schleife verhält sich damit wie ein Quantensystem mit zwei Zuständen, ist aber gegenüber äußeren Störungen sehr viel unempfindlicher als beispielsweise geladene Atome in magnetischen Fallen. (wst)