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Was war. Was wird.

Frühling! Alter Junge, wie haben wir Dich herbeigesehnt! Ach was, das Sehnen ist noch lange nicht vorbei? Leider ist das nicht die einzig traurige Nachricht der Woche, meckert Hal Faber.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Oh, der Frühling ist da, die Sonne lacht und Meister Frühling läßt sein blaues Band für Wahlgeschenke von hoher Qualität wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land, in dem PIN-, PUK- und Passwort-Kombinationen schon bei Ordnungswidrigkeiten abgefragt werden können, wenn etwa die Hundescheiße in der Berliner Schneewehe stecken bleibt. Veilchen, Sozialdemokraten und Piraten träumen schon, wollen balde groß rauskommen im angehenden Walkampf. Horch, von fern ein leiser HarfentonFrühling, ja du bist's! Dich hab ich per Video vernommen!

*** Die wohlbekannten Düfte dieses Frühlings sind es wohl gewesen, die gestandene Sozialdemokraten wie Peer "ichkannkanzler" Steinbrück so in innere Aufruhr versetzten, dass er die Barrikaden der Märzrevolutionäre erkletterte, ähem, auf der CeBIT in Hannover ausrief: "Ich will digitale Freiheit! Das Leistungsschutzrecht ist schlichter Unfug." Nun aber ist ein Zwangsgesetz verabschiedet worden und die digitale Freiheit ein Stückchen weiter geschrumpft. Ausgerechnet die künftige Bundeskanzlerin Kraft entpuppte sich als Leistungsschutzziege, während Steinbrück den Part des Leistungssündenbockes beim Ehrlichmachen übernimmt. Dass die ehemals stolze deutsche Sozialdemokratie in Vorwahlkampfzeiten so vor der Macht der Verlegerverbände einknickt und ein "schlechtes Gesetz" (Steinbrück) durchwinkt, spricht mehr als 1000 Geldspendekonten. Man will halt gute (Springer-)Presse vom schönen Frühling bis in den verhagelten Herbst hinein und macht gute Mine zum blöden Spiel.

*** Wie es weitergeht, sagt uns ein ordentlicher Zitat-Happen zum schützenswerten Snippet Das Internet wird nicht sterben: "Es wird Abmahnungen geben von Idioten, die zehn vermeintlich kopierte Wörter als schutzwürdig erachten. Gerichte werden ihnen recht geben, weil im Gesetz schlichtweg nicht drin steht, was denn nun der Schutzgegenstand ist. Im Vertrauen darauf, dass das die Verlage schon verantwortungsvoll regeln." Schon heute hat der Wahnsinn Methode, wie es der Justiziar des kleinen Verlages in der norddeutschten Kaltebene zu berichten weiß, wenn Heise als dpa-Kunde von einem Unternehmen abgemahnt wird, das von dpa abgemahnt wird. Die dritte Ableitung ist dann der Wendepunkt des Wahnsinns vom schlichten Unfug.

*** Dagegen hülfe nur der feine Fug. Doch das Verhalten der SPD und besonders die herbe Harfentonart von Steinbrück hat viele Seifenblasen zum Platzen gebracht. Die Netzszene heult mit den immergleichen Sirenen und die ach so viel gepriesenen Internet-Rebellen stehen mit herunter gelassener Hose im arschkalten Frühling. Zum Aufwärmen gibt es dann einen ordentlichen Schienbeintritt gegen den Grünen Kretschmann bei den einen, während die anderen in der weiterziehenden Karawane wie Hunde heulen. Nico hat Recht: "So kommen wir nicht weiter in diesem Land, so nicht." Doch waynes interessiert das schon in der Politik? Ganz besonders mies ist der hochgelobte Blogger Fefe drauf, der den Piraten die Schuld für alles Mögliche gibt. Er verkennt, dass sich eine Nerd-Partei, bei der die soziale Härte in sozialen Netzwerken programmatisch ist, hart im Nehmen von persönlichen Fragen sein und "das Politische" hintanstellen muss. Das mag ein Abstieg sein, ist aber vor allem erst einmal ein typisch deutscher Weg. Auf so eine Sammlung an Niederlagen muss einfach mal mit der richtigen Portion Optimismus reagiert werden: "...wir sind viele, wir sind schnell, wir sind technisch superknorke aufgestellt, wir sind irre klug und verfügen über die Geduld und die Konzentration, um – oh, schaut Euch diese niedlichen Katzenbabys an!" Ja so ist das mit Deutschland im Frühling.

*** Angeblich ist ja das große Erinnern über Deutschland gekommen, nach dem dreiteiligen Fernsehdrama Unsere Mütter, unsere Väter, der gewaltigsten Auseinandersetzung nach dem sechszehnteiligen Aufklärungsbuch über die deutsche Art zu lieben. Die vermiedene Erinnerung wird anderweitig abgehandelt, nichts darf das reine Bild vom schmutzigen Krieg stören. So bleibt die schlichte Erkenntnis, dass man auf einen Film über die hemmungslose Führergeilheit der Deutschen noch ein paar Jahre warten muss. Wer kennt nicht den kleinen Roboter Josef in Machinarium, benannt nach dem Tschechen Josef Capek, dem wir die Worte Roboter und Automat verdanken. Zu seinem 125. Geburtstag gab es Feiern und Lesungen seiner Gedichte, die er im Konzentrationslager schrieb. Unsere Mütter, unsere Väter, das waren die Wachmannschaften, die von den Gefangenen gehaltene Vögel im Schnee erfrieren ließen, nur so aus Spaß, die unheimlicher waren als Maschinenmenschen je sein könnten.

Was wird.

Der Wikipedia entnehmen wir, dass eine technische Dokumentation unter anderem der "Information und Instruktion definierter Zielgruppen, der haftungsrechtlichen Absicherung des Herstellers" dient. Nun ist nach drei Jahren beim Projekt EuroHawk bekannt geworden, dass die technische Dokumentation des in den USA entwickelten Flugzeugs fehlt. Diese Erkenntnis kommt, nachdem bereits 600 Millionen Euro von 1,2 Milliarden Gesamtkosten in das Projekt geflossen sind. Die Erkenntnis kommt nicht alleine, sondern mit der Auskunft, dass die luftverkehrsrechtliche Genehmigung zusätzlich 500 Millionen kosten wird. Kombiniert man das Ganze mit der Einsicht, dass Militärdrohnen und ihre Fähigkeitserweiterung vom Sensor zum Effektor ein ungemein schlechtes Walkampfthema sind, wird klar, warum der geplante erste Start des Radar-Lauscherls mitten in der heißen Phase nichts wird. Der Vogel bleibt am Boden, die Waffen werden dem nächsten Cäsar vor die Füße geworfen wie nach der Schlacht von Alesia.

Nein, es wird nicht wärmer, warum auch. Zypern hat es warm. Das muss reichen. Wärmen wir uns mit der Hoffnung auf bessere Zeiten und haken das schnarchlangweilige Wissenschaftsjahr 2013 mit seinem Demografie-Thema jetzt schon ab, schließlich geht es bei der Kohortenfertilität bergauf und nein, das ist nicht von der römischen Armee in fast ganz Gallien inspiriert. 2014 steht an, zumindest bei den Planern der Wissenschaftsjahre soll dieses Jahr der "Digitalen Welt in Deutschland" gewidmet sein, diesem einzigartigen Biotop von Leistungsschutzrecht und Startups, mit Weltmarktführern wie Babbel, bekannt aus New York Times, Techcrunch und latürnich heise online. Warum es die Digitale Gesellschaft sein muss, die offensichtlich unseren Müttern, unseren Vätern in der Politik schnurzpiepegal ist, harrt noch der Aufklärung. Richtiger und wichtiger wäre es wohl, das nächste Jahr zum Jahr der Genetik auszufen und das Scheißegal-Gen zu feiern. Dafür klicke ich ganz schnell auf eine e-Petition, das ist sowas von zeitgemäß! Und niemand muss hinaus in das, was SIE "Frühling" nennen. Deswegen ist jetzt ein sommerliches Gesumm fällig, so abgeschnitten vom Wärmestrom. (jk)