Bewegung in der schwierigen Suche nach einem Atom-Endlager

Erfolg für Altmaier: Ein Atommüllendlager-Suchgesetzes ist nach dem Kompromiss mit der rot-grünen Landesregierung Niedersachsens noch vor der Bundestagswahl möglich. Doch ein paar Hürden sind noch zu nehmen.

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Von
  • Karl-Heinz Reith
  • dpa

Das sogenannte Erkundungsberkwerk in Gorleben

(Bild: Bundesamt für Strahlenschutz)

Es gibt in der Gesellschaft viele umstrittene Großprojekte – nicht nur Stuttgart 21 oder der Bau neuer Großflughäfen. Doch keines davon hat auch nur ansatzweise die Dimension des seit 35 Jahren überfälligen Endlagers für deutschen Atommüll. Und seit 35 Jahren streiten Experten und Politik darüber, ob der Salzstock im niedersächsischen Gorleben der geeignete Standort ist, um den mindestens noch eine Millionen Jahre strahlenden Müll aus den hiesigen Atomkraftwerken dauerhaft aufzunehmen.

Der sich jetzt abzeichnende Kompromiss über die Einsetzung einer Enquetekommission bedeutet für Gegner und Kritiker des Gorleben-Projektes eine Atempause, aber noch lange keine Entwarnung. Bevor die zugesagte bundesweite und ergebnisoffene neue Suche nach einem Atommüll-Endlager beginnt, soll diese Kommission im gesellschaftlichen Konsens die Kriterien dafür erarbeiten: Wann ist ein Standort geeignet und wann nicht? Welche Mindeststandards sind einzuhalten? Und: Muss der eingelagerte Müll unter Umständen auch rückholbar sein?

Mit am Tisch der 24-köpfigen Enquetekommission: Umweltverbände, Wissenschaft und Politik, Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften. Der Kompromissvorschlag, den Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Landesumweltminister Stefan Wenzel (Grüne) am Sonntag nach einem Treffen in Berlin überraschend präsentierten, könnte Schule machen auch für andere Gesellschaftskonflikte. Bevor Großplanung beginnt, umkämpfte Castoren rollen oder Bagger kaum rückholbare Baumaßnahmen einleiten, wird zunächst ein breiter Konsens gesucht.

SPD und Grüne in Niedersachsen hatten sich im Landtagswahlkampf festgelegt: "Nicht in Gorleben" hatten sie versprochen – und sich damit auch von den Bundesführungen ihrer Parteien abgesetzt, die für eine ergebnisoffene Prüfung in allen Bundesländern tendierten – auf einer weißen Landkarte, eben auch unter Einschluss von Gorleben.

Weil und Wenzel setzen jetzt auf ihre Argumente und hoffen, die Enquete von der Ungeeignetheit des Salzstockes in unmittelbarer Nähe der Elbe überzeugen zu können. Gleichwohl werden sie noch Mühe haben, den Kompromiss Umweltverbänden und Atomkraftgegnern schmackhaft zu machen. "Weil und Wenzel sind dabei, ihr wenige Monate altes Wahlversprechen zu brechen", hieß es bereits in einem Greenpeace-Kommentar.

Für Altmaier, der mit den Folgen der Energiewende noch genug politisch zu kämpfen hat, bedeutet dagegen der Kompromiss vom Sonntag ein großer Erfolg und einen gewaltigen Schritt nach vorn. Nun ist es möglich, dass noch vor der Bundestagswahl ein Endlager-Suchgesetz im parteiübergreifenden Kompromiss Bundestag und Bundesrat passiert. Die Enquetekommission soll fest im Gesetz fest verankert werden. Die Endlagersuche soll erst beginnen, wenn die Kriterien dafür stehen.

Vor Altmaier hatten sich schon viele andere Umweltpolitiker im Bund – wie auch in Niedersachsen – an der Endlagersuche die Zähne ausgebissen. Ob die Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), Sigmar Gabriel (SPD) und Norbert Röttgen (CDU) – für alle spielte das brisante Thema immer wieder eine besondere Rolle.

Seit 1977 gab es die einseitige Konzentration auf Gorleben. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag prüft, ob es bei der damaligen Auswahl von Gorleben zu Fehlern gekommen ist. Der Start des Projekts fiel in die Regierungszeit von Kanzler Helmut Kohl und Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (beide CDU). 1,6 Milliarden Euro sind bereits in die Erkundung des Salzstockes geflossen, den Rot-Grün in Niedersachsen für völlig ungeeignet hält. (jk)