EU-Abgeordneter: 1427 Lobby-Verlockungen in zwei Jahren

Der österreichische Europa-Parlamentarier Hans-Peter Martin hat den auf ihn ausgeübten Drucks von Lobbyisten bilanziert. Die Angebote reichten von der kostenlosen Luxus-Reise nach China bis zur Google-Massage.

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Der österreichische EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin hat nach 24 Monaten den Druck von Lobbyisten auf ihn blianziert. Der fraktionslose Parlamentarier war demnach 1427 Beeinflussungsversuchen ausgesetzt. Dies seien durchschnittlich mehr als drei "Lobby-Interventionen" pro Arbeitstag. Der geldwerte Vorteil habe dabei insgesamt mehr als 65.000 Euro betragen, was monatlich mit fast 3000 Euro dem durchschnittlichen Nettoeinkommen eines Haushalts seines Landes entspreche.

Martin dokumentiert alle "täglichen Verlockungen" seit April 2011 in einem "Lobby-Ticker" auf seiner Website. Angebote zu kostenlosen Luxusreisen in entfernte Länder wie China gehören genauso dazu wie Gala-Dinner, Autotest oder ein Stündchen Entspannung auf einem Massagestuhl im Brüsseler Google-Büro, währenddessen er in das Crowdfunding-Phänomen eingeführt werden sollte.

All die Gratis-Angebote hätten ihren Preis, schreibt Martin, Mitglied im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments. So würden die Abgeordneten verstärkt parallel "mit detaillierten Änderungsanträgen und Aufforderungen zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten regelrecht überschwemmt". 334 Mal hätten ihm im Lauf der vergangenen zwei Jahre Interessengruppen "explizite politische Aufforderungen" geschickt. Dass sich die EU-Parlamentarier an den Eingaben nicht nur orientieren, sondern diese teils sogar unverändert in eigene Korrekturvorschläge zu laufenden Gesetzesinitiativen kopieren, dokumentierte das Projekt Lobbyplag vor Kurzem.

"Darüber hinaus werden die E-Mail-Postfächer der Abgeordneten mit unzähligen Studien, Positionspapieren und Briefen überschüttet", moniert der Co-Autor des Buchs "Die Globalisierungsfalle". Telefonische Bitten um Gespräche mit dem Abgeordneten oder als "Umfragen" getarnte Anrufe gehören zum politischen Alltag. Brisant sei, dass Kampagnen-E-Mails individueller Bürgern etwa gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA oft im Spam-Filter des Parlaments hängen blieben. Die Nachrichten und Einladungen der Lobbyisten fänden dagegen "verlässlich ihren Weg in die Postfächer der Abgeordneten".

Leidtragende der Lobby-Umgarnung sind laut Martin die Bürger. Die unzähligen interessengesteuerten Treffen lohnten sich nicht nur inhaltlich für die Einlader, sondern kosteten die Steuerzahler Tausende von Arbeitsstunden der Volksvertreter, ihrer Assistenten und des EU-Beamtenapparats. Der Lobby-Gegner selbst akzeptiert nach eigenen Angaben "keine Geschenke oder geldwerte Leistungen im Wert von mehr als 10 Euro". Der grüne EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht sprach sich derweil gegenüber der Agentur AFP dafür aus, dass Parlamentarier alle Kontakte mit Lobbyisten veröffentlichen. (anw)