Internet-Verwaltung ICANN soll globaler werden

In Istanbul und Singapur will die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers zwei neue Zentralen einrichten.

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Von
  • Monika Ermert

Der CEO der Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), Fadi Chehade, hat zwei neue ICANN-Zentralen in Istanbul und Singapur angekündigt. Anders als bisherige Regionalbüros wie dem in Brüssel sollen sie gleichberechtigt neben dem Hauptquartier in Los Angeles arbeiten. Jede einzelne Abteilung der ICANN, einschließlich der Rechtsabteilung, soll an allen drei Orten vertreten sein. Chehadi selbst will im ersten Jahr rotieren und jeweils für einige Monate von einem der Standorte aus arbeiten. Er wolle damit die bislang als US-Organisation wahrgenommene private Verwaltung des Domain Name System stärker global aufstellen, sagte Chehade während der offiziellen Eröffnungsveranstaltung des 46. ICANN-Treffens in Peking.

Chehade versprach bei der Vorstellung einiger weiterer struktureller Reformen ein übergreifendes "Ticket-System", um zu garantieren, dass über die Zeitzonen hinweg konzertiert gearbeitet werden kann. Neben ihm selbst werde auch ein Teil der ICANN-Belegschaft "umziehen". Zusammen mit seinen chinesischen Gastgebern kündigte Chehade überdies ein Kontaktbüro in Peking an, genannt "Local Engagement Center". Davon werde die ICANN viele in allen Teilen der Welt einrichten.

Die chinesischen Gastgeber begrüßten Chehades neuen Kurs ausdrücklich und unterstrichen ihre Bereitschaft, sich in den Diskussionen rund um Internetstandards und -regeln von der Internet Engineering Task Force, über die ICANN bis zum Internet Governance Forum zu engagieren. Der Vizeminister für die Informationsindustrie, Shang Bing, riet der ICANN allerdings auch, sie müsse sich stärker um die Entwicklungsländer kümmern, mehr auf die "Ideen der Regierungen" hören und Sicherheit groß schreiben. China gehört mit 40 TLD-Bewerbern und den zahlreichen chinesisch-sprachigen neuen TLDs zu den künftigen Schwergewichten im Domainmarkt.

Oliver Süme, Vorstand Politik, Recht & Regulierung des Providerverbands eco, lobte Chehades Bekenntnis zum Multi-Stakeholder-Modell. Er sah dies auch als eine Reaktion auf die internationalen Spannungen, die zuletzt auf der World Conference on International Telecommunication zu Tage getreten waren. Chehade hatte in Peking den von Wirtschaft, Regierungen und Zivilgesellschaft gemeinsam getragenen politischen Prozess als die "magische Zutat" der ICANN gelobt und nationale Entwicklungen partizipativer Verfahren, etwa in Brasilien, als beispielhaft hervorgehoben. Das entspreche durchaus der Philosophie der Privatwirtschaft, urteilt Süme, die das Mutistakeholer-Modell als "Regulierungsmodell der Zukunft" sehe.

Chehades Rede sei allerdings auch eine Reaktion auf die zahlreichen Vorwürfe, dass er in den vergangenen Monaten versucht habe, neue Regeln durchzusetzen und dabei eben diese Verfahren zu umgehen. Gleich nach den Eröffnungsreden hagelte es Kritik von Registrybetreibern und aus der Zivilgesellschaft an den kurzfristig von der ICANN-Führung eingebrachten Vertragsänderungen.

Ihr Gremium sei nicht an "mehr leeren Versprechungen" oder schönen Worten interessiert, sagte die Vorsitzende des Gremiums der nicht-kommerziellen Nutzer (Non-Commercial User Stakeholder Group, NCSG), Robin Gross. Vertreter der NCSG hatten unter anderem auch die von Chehade hoch gelobte Charta für Nutzerrechte in den neuen Verträgen kritisiert, In der stünden eher bescheidenen Rechte beträchtlichen Verpflichtungen gegenüber, so die Kritik. (anw)