Vectoring: Regulierer genehmigt VDSL-Turbo

Mit Vectoring lassen sich bis zu 100 Mbit/s aus einem VDSL-Anschluss kitzeln. Die Telekom will die neue Technik einsetzen, muss dabei nach Ansicht der Bundesnetzagentur aber auch die Konkurrenz berücksichtigen.

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Kaum ein Netzthema wurde in den letzten Monaten so kontrovers diskutiert wie das Vectoring: Mit der neuen Technik lassen sich bis zu 100 Mbit/s aus einem VDSL-Anschluss kitzeln. Keine Frage also, dass die Telekom das anbieten möchte, um mit den schnellen Angeboten der Kabelnetzbetreiber mitzuhalten. Doch kann der Einsatz der Technik Nachteile für die Konkurrenz mit sich bringen. In ihrem am Dienstag vorgelegten Entscheidungsentwurf zum Vectoring bemüht sich die Bundesnetzagentur daher um einen Interessenausgleich.

Beim Vectoring werden die Kupferadern eines Verzweigungskabels auf der letzten Meile vom Kabelverzweiger (Kvz) mit Outdoor-DSLAM zum Kundenanschluss zusammen genutzt. Das Verfahren reduziert Störungen (das sogenannte "Übersprechen" der einzelnen Adern) und ermöglicht so bei VDSL2 höhere Bandbreiten auf einer Leitungslänge von etwa 500 Metern. Das Problem: Die Technik erfordert, dass ein Unternehmen die Kontrolle über das ganze Leitungsbündel hat, sonst lassen sich die Störungen nicht ausreichend kompensieren

Für Telekom-Konkurrenten, die die Anschlussleitungen ihrer Kunden üblicherweise im Kabelverzweiger übernehmen, ist bei Vectoring also kein Platz mehr in der grauen Kiste. Entsprechend groß waren die Befürchtungen der Branche, die Telekom könne sie mittels Vectoring aus dem Spiel drängen – die Rede von der "Re-Monopolisierung" des Festnetzes machte die Runde.

Vom Regulierer wurde also die Quadratur des Kreises erwartet. Die Bundesnetzagentur stellt in ihrem Entwurf klar, dass die Telekom ihren Wettbewerbern den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) am Outdoor-DSLAM im Kabelverzweiger grundsätzlich weiterhin gewähren muss, damit diese auch VDSL-Produkte anbieten können. Unter bestimmten Voraussetzungen soll die Telekom diesen Zugang aber verweigern dürfen, um selbst Vectoring einsetzen zu können.

So muss im Bereich des fraglichen Kabelverzweigers ein anderer Anbieter – zum Beispiel ein Kabelnetzbetreiber – bereits schnelle Internetanschlüsse vermarkten. Zudem muss die Telekom im Kvz mehr TALs angeschlossen haben als ein Wettbewerber und als Ersatz für die TAL einen angemessenen Zugang auf Bitstromebene anbieten. Umgekehrt werden Telekom-Wettbewerber verpflichtet, auf von ihnen erschlossenen Kvz bis 2017 selbst Vectoring einzusetzen und bei Bedarf einen Bitstromzugang anzubieten.

Damit sei der Einsatz der neuen Technik für alle Marktakteure möglich, erklärte der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann am Dienstag in Bonn. Der Entscheidungsentwurf (PDF-Datei) ist auf der Internetseite der Bundesnetzagentur zur Stellungnahme veröffentlicht. Der Entwurf wird dann dem europäischem Regulierungsgremium GEREK und der EU-Kommission vorgelegt. Sofern Brüssel keine Einwände hat, kann die Entscheidung endgültig in Kraft treten.

Die Telekom will in den Breitbandausbau investieren. Dabei wird Vectoring für die Bonner eine wichtige Rolle spielen – schon weil es billiger ist, als Glasfasernetze bis zum Kunden zu verlegen. "Wir wollen weiterhin 65 Prozent der Haushalte mit Vectoring versorgen", erklärte ein Konzernsprecher. Die Telekom hatte im Dezember vergangenen Jahres einen Antrag für Vectoring bei der Regulierungsbehörde gestellt und war dabei auch auf die Bedenken der Wettbewerber eingegangen.

Das nimmt die Konkurrenz nur zum Teil wohlwollend zur Kenntnis. Für den Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) geht die Entscheidung der Bundesnetzagentur in die richtige Richtung. "Die Bundesnetzagentur hat sich große Mühe gegeben" die Interssen aller Beteiligten zu berücksichtigen, meint VATM-Chef Jürgen Grützner. Der Entwurf biete "ausreichenden Schutz, damit alle Unternehmen in Breitband investieren können". Der VATM will aber noch die Frage geklärt haben, mit welchen Sanktionen die Telekom zu rechnen haben wird, wenn sie einen Wettbewerber an der Erschließung eines Kvz hindert, dort dann aber kein Vectoring ausbaut.

Dagegen warnte der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), der Breitbandausbau werde mit dem Vorschlag der Bundesnetzagentur massiv erschwert. Die Telekom werde von der uneingeschränkten Entbündelungsverpflichtung an Kabelverzweigern befreit und erhalte einen "Freibrief". Die Betreiber hätten keinen echten Zugang zur letzten Meile und ihre bereits getätigten Investitionen würden entwertet. Damit sei das Regulierungsregime aus den Angeln gehoben worden, sagte Breko-Geschäftsführer Stephan Albers. (vbr)