Midem: Provider werden zusehends für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht

In der EU gibt es nach Ansicht von Vertretern der International Association of Entertainment Lawyers einen klaren Trend, Internet Service Provider für illegale Inhalte mit in die Verantwortung zu ziehen.

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Von
  • Monika Ermert

In der EU gibt es nach Ansicht von Vertretern der International Association of Entertainment Lawyers einen klaren Trend, Internet Service Provider für illegale Inhalte mit in die Verantwortung zu ziehen. Das ergibt sich aus verschiedenen Gerichtsentscheidungen im vergangenen Jahr, meint Benoit Michaux von der belgischen Kanzlei Simont Braun auf einem Panel der Unterhaltungsindustrie auf der Musikmesse Midem in Cannes. Aber auch die kürzlich veröffentlichte Mitteilung der EU-Kommission zu kreativen Inhalten im Netz (Creative Content Online) greife das Thema Filterungen auf. "Interessengruppen sind aufgerufen, der Kommission ihre Ansicht zur Filterung durch die ISPs mitzuteilen", sagte Benoit, der die Verwertungsgesellschaft Sabam im Rechtsstreit gegen Scarlet (ehemals Tiscali) vertreten hatte.

Für die Rechteinhaber sei eine Klage gegen einen ISP die "attraktivste Lösung" im Kampf gegen Piraterie gewesen, erläutert Michaux, viel besser, als Teenager zu verklagen. Trotzdem war auch der Sabam-Anwalt ein wenig erstaunt über das Urteil des belgischen Richters: Er habe kein Problem beim Datenschutz gesehen und auch nicht bei der Bezahlung der Filtermaßnahmen durch den ISP. Er glaube, dass sich die Kommission bei ihrer Mitteilung von diesem Urteil leiten ließ. Rechtskräftig ist es allerdings noch nicht, die Berufung ist noch anhängig.

Aus Sicht von Michaux ist das Urteil aber schon jetzt ein Präzedenzfall, der Richtern die Möglichkeit eröffne, eine einstweilige Verfügung gegen die Serviceprovider zu erlassen, auch wenn sie geeignete Maßnahmen gegen illegale Inhalte getroffen haben. Selbst Schadenersatzklagen gegen ISPs hält Michaux für denkbar. In verschiedenen Urteilen französischer Gerichte sei ein Trend zur Verschiebung der Grenzen zwischen "Herausgeber" und ISP erkennbar, sagte die französische Anwältin Isabelle Wekstein von WAN Avocats in ihrem Rückblick auf den Trend in Frankreich.

Die französischen Gerichte hätten drei unterschiedliche Wege in ihren Urteilsbegründungen gegen Provider eingeschlagen, die an sich laut dem Gesetz von 2004 nicht verantwortlich seien, erläutert Wekstein. Die erste Begründung "umgeht praktisch das Gesetz und erklärt ISPs zu Herausgebern". Die zweite Begründungsvariante erkäre den Provider nicht zum Herausgeber, sage aber, dass er über das Gesetz hinausgehende Verpflichtungen habe. Die dritte Variante lehne beides ab.

In Frankreich sei Filterung Bestandteil einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Rechteinhabern, ISP und Regierung. Allerdings sei noch nicht klar, ob das Parlament auch das in der Vereinbarung vorgesehen Auskunftsrecht der ISP akzeptieren werde, sagte Wekstein. In Großbritannien gebe es ebenfalls eine Empfehlung für eine freiwillige Vereinbarung, wobei die Drohung im Raum stehe, dass eine gesetzliche Regelung geschaffen wird, wenn die freiwillige Lösung nicht zustande kommt.

Auch aus Schweden liegen zwei Berichte vor, die vorschlagen, dass ISPs Verträge mit Nutzern aufkündigen sollen, wenn diese ihren Anschluss für Urheberrechtsverletzungen gebrauchen. Der noch relativ neue Vorschlag sei sehr umstritten, sagte der schwedische Anwalt Claes Langenius von der Kanzlei Hammarskiold. Er rechnet nicht damit, dass es schnell ein Gesetz geben wird.

EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger von den Grünen bestätigte auf Anfrage von heise online, dass auch sie einen Trend zu Verschärfungen bei der Verletzung geistiger Eigentumsrechte sehe. Sie befürchte inbesondere, dass man erneut verstärkt gegen Nutzer von Tauschbörsen vorgehen will. Neben der Creative Content Online stehen auch noch die strafrechtlichen Maßnahmen gegen Piraterie auf der Agenda der Union. In einer Veranstaltung der European Internet Foundation habe sich die Mehrheitsmeinung stark für eine scharfe Verfolgung von Fälschern geneigt. Die EU-Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPRED2) hängt nach einem Einspruch von Lichtenberger gegen die Streichung einer Klausel, die Parallelimporte möglich gemacht hätte, noch im Präsidium des Parlamentes zur Klärung fest.

Da man an die großen Banden und die Fälscher in China nicht herankomme, wolle man sich an den Endnutzer und auch den "kleinen Downloader" halten. Lichtenberger glaube aber nicht, dass die Verurteilung einer Mutter von zwei Kindern zu einer Geldstrafe von 4000 Euro, da sie – in ziemlicher Unkenntnis – 200 statt des einen geplanten Songs heruntergeladen habe, den Autoren und Musikern wirklich helfe.

Siehe zur Musikmesse Midem auch:

(Monika Ermert) / (anw)