Datenschützer: Immer mehr Beschwerden über Videoüberwachung

"Big Brother is watching you": Bei Hessens oberstem Datenschützer klingelt oft das Telefon, auch weil offenbar immer mehr Leute zur Videoüberwachung greifen – in Restaurants, Kaufhäusern oder Wohnanlagen.

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Von
  • Julia Kilian
  • dpa

Ob in Restaurants, Kaufhäusern oder Wohnanlagen: Die private Videoüberwachung nimmt nach Einschätzung des hessischen Datenschutzbeauftragten sprunghaft zu. "Wir haben praktisch täglich Anzeigen von Videoüberwachungen", sagte Michael Ronellenfitsch am Dienstag in Wiesbaden, wo er seinen Jahresbericht 2012 vorstellte. Die technischen Möglichkeiten seien stark gestiegen. "Sie können das Zeug billig kaufen, die Kataloge preisen das an." In seinem Bericht prangert der Jurist unter anderem auch häufige Ausweiskopien und Bonitätsprüfungen anhand des Wohnorts an.

Die Anzahl installierter Videokameras im privaten Bereich steige stetig. Bürger beschwerten sich vor allem über Aufnahmen in Geschäften, in Restaurants, im Außenbereich von Cafés oder in Wohnanlagen. Auch am Arbeitsplatz und im Privatleben sähen sich viele einer Überwachung ausgesetzt. "Offenbar scheint eine notorische Neigung zu bestehen, Nachbarn zu überwachen. Und eine pathologische Befürchtung, überwacht zu werden", sagte Ronellenfitsch. Dabei sei von Kameras grundsätzlich abzusehen, wenn es ein milderes Mittel zur Überwachung gebe. Kritische sehe er auch Kamera-Attrappen.

Auch im öffentlichen Bereich sorgen Kameras für Ärger. Schultoiletten dürften zum Beispiel nicht videoüberwacht werden, meinte Ronellenfitsch. Auch das Filmen in Vorräumen sei dort fragwürdig. "Ich würde sagen, es gehört zur Intimsphäre, ob man sich die Hände wäscht nach dem Toilettenbesuch oder nicht", sagt er. In den kommenden Tagen soll einer seiner Mitarbeiter Schulen im Kreis Hersfeld-Rotenburg überprüfen. Dort werden an zwei Schulen die Eingänge zum Vorraum der Sanitäranlagen gefilmt, wie ein Kreissprecher mitteilte. Dabei sei zu sehen, wer den Raum betrete.

Generell sieht Ronellenfitsch den Datenschutz auf einem guten Weg. "Besser hat er sich entwickelt", sagte der Rechtsprofessor. Bedenken hat er zum Beispiel bei häufigen Ausweiskopien. Banken, Hotels, Mietwagenfirmen und auch Behörden verlangten diese oft. Nur in den wenigsten Fällen sei eine Kopie des Dokumentes aber rechtlich zulässig beziehungsweise erforderlich, mahnte der Datenschutzbeauftragte. Oft reiche es, wenn der Ausweis zur Identifizierung vorgelegt und dies entsprechend vermerkt werde. Zudem müsse es möglich sein, auf Kopien etwa Größe und Augenfarbe zu schwärzen.

Kritik übt Ronellenfitsch unter anderem auch an Auskunfteien, also Stellen, die Informationen zur Bonität von Firmen und Menschen einholen. Manche nutzten dazu den Wohnort der Betroffenen. "Das muss ich nach wie vor als Sauerei bezeichnen", sagte er. "Denn es ist ja kein ausschlaggebendes Kriterium, wo Sie wohnen, für Ihre Kreditwürdigkeit." Die Nutzung dieser Geodaten sei inakzeptabel. "Und das muss man unterbinden." Weniger Bedenken habe er bei Arztportalen, wo Patienten ihre Mediziner online bewerteten. "Man muss ja Vergleichsmaßstäbe haben", sagte der Datenschutzbeauftragte. (vbr)