Neue Batterien für Boeings Dreamliner

Der US-Flugzeugbauer rüstet seine gestrandeten 787-Jets jetzt vor Ort mit neuer Batterietechnik aus. Der von 30-köpfigen Technikerteams durchgeführte Umbau soll jeweils fünf Tage dauern. Kritiker sehen die Probleme damit aber längst nicht gelöst.

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Von
  • Steffen Weyer
  • dpa

Für Boeing scheint ein Alptraum zu Ende zu gehen. Nach drei Monaten Zwangspause blickt der Flugzeugbauer dem Neustart seines Langstreckenjets 787 "Dreamliner" entgegen. Mehr als 300 Experten sollen die rund um den Globus verstreuten Flieger des Typs mit quasi brandsicherer Batterietechnik ausrüsten, die die US-Luftfahrtbehörde FAA am Freitagabend freigegeben hat. Kritiker halten das grüne Licht der Aufseher für übereilt. Denn nach wie vor ist eine Frage offen: Warum genau hatte es an Bord gebrannt? Für Boeing ist die Freigabe immens wichtig. Der Airbus-Rivale muss nach den Zwischenfällen vom Januar Vertrauen bei Kunden und Passagieren zurückgewinnen.

Es war Mitte Januar, als in einer "Dreamliner"-Maschine von Japan Airlines ein Feuer ausbrach. Zum Glück stand das Flugzeug in Boston am Boden, die Passagiere waren schon ausgestiegen. Wenig später musste ein Jet der Gesellschaft All Nippon Airways (ANA) wegen Rauchs an Bord in Japan notlanden. Als Brandursache waren schnell die neuartigen Akkus des Fliegers ausgemacht: Eine Batterie hatte gebrannt, die andere geschmort. Die Behörden verhängten für die 50 "Dreamliner" ein komplettes Flugverbot – bis das Brandproblem mit den umstrittenen Akkus gelöst sei.

Seit Januar haben die Ingenieure Boeing zufolge mehr als 200.000 Arbeitsstunden in die Suche nach Ursachen und Lösungen gesteckt. Heraus kamen einige Veränderungen. Die genauen Auslöser von Feuer und Rauch blieben jedoch im Dunkeln. Klar scheint nur, dass es an der Akkutechnik lag. "Die US-Sicherheitsbehörde NTSB arbeitet immer noch daran, die Hauptursache zu finden", räumt Boeing-Manager Larry Loftis am Montag ein. Dennoch sei das neue System sicher: "Wir sind alle denkbaren Ursachen angegangen."

Die neuen Batteriezellen sollen weniger anfällig für Kurzschlüsse sein, ein Stahlgehäuse soll Flammen und Rauch in Ernstfall im Inneren halten. Ein Abluftsystem leitet dann giftige Dämpfe aus dem Flieger. "Sollte in der Luft trotz allem ein Zwischenfall auftreten, kann die Maschine ihren Flug normal fortsetzen", sagt Loftis. Die Batterien werden fast nur am Boden gebraucht – oder als Notsystem in der Luft.

Die Lithium-Ionen-Technik gilt als besonders leicht und leistungsfähig. Allerdings sind solche Akkus bereits früher in Laptops und Autos in Flammen aufgegangen. Der "Dreamliner" ist das erste Verkehrsflugzeug, in dem die Technik zum Einsatz kommt. Konkurrent Airbus setzt nach dem Boeing-Desaster bei seiner Neuentwicklung A350 vorerst auf die herkömmliche Nickel-Cadmium-Technik. Die ist schwerer, aber schon lange erprobt.

Branchenexperten üben unterdessen weiter Kritik an Boeing und der US-Luftfahrtaufsicht FAA. "Wir kleben hier quasi ein Heftpflaster auf etwas, das möglicherweise gar nicht das Problem ist", sagt der frühere American-Airlines-Manager Robert Mann, der als Berater für die Branche arbeitet. Es gehe hier nicht um wirtschaftliche Fragen, sondern um die Sicherheit. Das stellen freilich auch weder die FAA noch Boeing in Abrede: "Die Sicherheit der Passagiere und Besatzungsmitglieder hat höchste Priorität", betont Boeing-Mann Loftis.

Der Flugzeugbauer muss allerdings auch zusehen, dass ihm seine Kunden nicht abspenstig werden. Rund 840 "Dreamliner" stehen noch auf der Bestellliste, mindestens 60 davon will Boeing in diesem Jahr ausliefern. Zuerst jedoch will der Konzern die bereits ausgelieferten Jets umrüsten, die seit Januar an Flughäfen in aller Welt verstreut stillstehen. Seit Montag nimmt sich das erste Boeing-Team die erste Maschine von All Nippon Airways vor. Bei europäischen Gesellschaften sind nur die zwei Maschinen der polnischen Fluglinie LOT betroffen. Diese sollen im Juni wieder abheben.

Fünf Tage sollen die Arbeiten pro Flugzeug dauern. Insgesamt schickt Boeing mehr 300 Ingenieure, Mechaniker und andere Experten in zehn Teams zu den Kunden. Was das kostet, verrät der Flugzeugbauer bislang ebenso wenig wie die Höhe des Schadenersatzes, den er den betroffenen Fluglinien bezahlen muss. Allzu hoch soll die Belastung jedoch nicht ausfallen, deuten jüngste Äußerungen des Managements an. Das Gewinnziel des Konzerns für 2013 sei nicht in Gefahr. (pmz)