Eric Schmidt: Das neue digitale Zeitalter braucht Wikileaks

Der Google-Chairman und der Politikberater Jared Cohen loben in ihrem neuen Buch Wikileaks als Plattform für die Erweiterung des Weltwissens. Sie kritisieren aber auch an ihr, finanziell nicht ausreichend unabhängig zu sein.

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Von
  • Detlef Borchers

Google-Chairman Eric Schmidt und der Politikberater Jared Cohen haben ein Buch über das Neue digitale Zeitalter veröffentlicht. In dem leicht verständlichen Buch versuchen sie, künftige Trends wie eHealth, Bitcoins oder den kommenden Cyberkrieg terroristischer Hacker zu erklären. Wikileaks wird in ihm als Plattform für die Erweiterung des Weltwissens durch Whistleblower gelobt, aber auch dafür kritisiert, finanziell nicht unabhängig genug zu sein.

Die überaus positive Einschätzung von Wikileaks durch Schmidt und Cohen resultiert aus einem fünfstündigen Gespräch, das die Autoren im Sommer 2011 mit Julian Assange geführt haben. Zu diesem Zeitpunkt lebte Assange unter strengen Auflagen auf einem Landsitz in England und wartete auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens über seine von Schweden beantragte Auslieferung. Basierend auf dem Satz von Steward Brand, dass Information frei sein will, wird Julian Assange für Schmidt und Cohen zum Modell für die Rolle, die "free-information-activists" in der digitalen Gesellschaft spielen werden. Sie unterscheiden dabei eine Plattform wie Wikileaks von einzelgängerischen, erfolgreichen Whistleblowern wie dem russischen Blogger Alexei Nawalny, gegen den derzeit vor einem russischen Gericht verhandelt wird.

Beeindruckt von Assanges Erklärung technischer Details kommen Schmidt und Cohen zu dem Schluss, dass Wikileaks sich weltweit als führende Plattform für Whistleblower etablieren wird, gegenüber der andere Leaks-Angebote abfallen, weil sie dem Leaks-Einsender keine geprüfte oder beweisbare Sicherheit garantieren können. Leaks werden in der Sicht der Autoren natürlicher Teil einer Wissensgesellschaft, in der das Aufdecken von Geheimnissen eine "fail-safe-Society" etabliert. In Anbetracht der Tatsache, dass US-Präsident Obama eine Null-Toleranz-Politik für Whistleblower ausgegeben hat, stellen sie die Unterdrückung amerikanischer Whistleblower der US-amerikanischen Unterstützung ausländischer Whistleblower in Staaten wie Nordkorea gegenüber.

Zur Rolle von terroristischen Hackern erklären Eric Schmidt und Jared Cohen ausdrücklich, dass Gruppen wie Anonymous oder Wikileaks keine terroristischen Gruppierungen seien. Sie warnen aber ebenso eindrücklich, dass Wikileaks ein gefährliches Modell sei, weil es unter den Aktivisten immer jemand geben könnte, der Informationen weiterleitet, die zum Tode von Menschen führen könnten. Wer in Zukunft entscheide, welche Information veröffentlicht und welche geschwärzt wird, werde an einer Schaltstelle sitzen; dies gelte unglücklicherweise auch für Wikileaks.

Ihre stärkste Kritik an Wikileaks üben die Autoren in einer Passage des Buches, in dem sie sich auf Assange direkt berufen: Er selbst habe erzählt, dass Namen in den veröffentlichten US-Depeschen nur deshalb von Wikileaks-Mistreitern geschwärzt worden seien, weil man den internationalen Druck der Finanzblockade abmildern wollte. Sonst hätte er die unzensierte Veröffentlichung bevorzugt. Vom Gespräch mit Assange existiert ein von Wikileaks veröffentlichtes Transkript. In ihm ist die von Schmidt und Cohen behauptete Aussage Assanges nicht zu finden. Assange erklärt zwar laut Transkript, dass bei einer unzensierten Veröffentlichung von geleaktem Material der Nutzen die Schäden bei weitem übersteige, schränkt aber ein, dass Wikileaks durch Schwärzungen den Schaden weiter minimieren könne. (anw)